Freitag, 11. Juni 2010
Oscar
Er steht an der Ladestation, die Lampe blinkt grün. Da und dort wirbeln Staubfusseln auf, wenn ich im Sauseschritt vorbeigehe. Oscar, let’s clean! Mit einer feschen Tonfolge quittiert der Staubsauger meinen Einsatzbefehl, entfernt sich rückwärts von der Station und beginnt exzentrisch seine Kür. Mit rotierendem Fühler und einer Kontaktklappe sondiert er das Parkett, die Tisch- und Stuhlbeine, Teppichquasten, Hundeknochen, Treppenkanten und Türschwellen. Wänden zollt er Respekt, bremst vorher den Schwung elastisch ab. Er holpert über Schmutzfangmatten, aber vor dem Treppenabgang scheut er zurück. Doch rast er ungebremst in die Klavierpedale, prallt zurück und umrundet die Lamellen in einer vorsichtigeren zweiten Annäherung. Schwups, die Fusseln sind weg. Oscar saugt nicht nur, er bürstet emsig jede Textur mit Gummischaufelrad und Drehbürste. Er hat auch ein geografisches Gedächtnis, und offensichtlich Augen! Die Kabelknäuel hinter dem PC machen ihm schwer zu schaffen. Er bäumt sich auf, sein Getriebe ächzt. Er dreht etwas zu Seite, nimmt noch einen Anlauf und entwindet sich den elektrischen Tentakeln schlingernd mit Bravour. Türschwellen übersteigt er kletternd mit zwei Steigrädern und Stollen. An den schrägen Beinen der Schneiderbüste indessen, die im Livestyle-Inventar nicht mehr vorgesehen ist, sondiert er erfolglos und bäumt sich auf. Doch auch hier reagiert er nicht unklug: Er unterbricht die Fahrt und sendet Pfiffe in den Raum, bis menschliche Hilfe naht. Unsere Hunde haben sich schnell an Oscar gewöhnt. Sie trollen davon, wenn er sie stupst. Angst haben sie keine, denn er stösst nur sanft. Mich hat Oscar besonders gern. Ganz wie die Putzfrau, von der ich dachte, warum kommt sie schnurstracks zu mir, pflegt auch Oscar mich gezielt zu nerven. Ich muss ihm Platz machen, sonst umfährt er stupsend meine Füsse. Ob er das wohl vom Facebook hat? Übrigens schafft er Zimmerfluchten. Bevor die Ladung zur Neige geht, dockt er an der Tankstelle an und vollendet die Kür mit tönendem Finale.
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