Samstag, 17. November 2012

Tanzen statt surfen


Tanzen statt surfen...


...ein neuer Trend? Surfen im Internet meint das oberflächliche Sich-treiben-lassen von diesem zum nächsten Hyperlink. Die Verweildauer auf der Welle ist kurz, sie verläuft bald im Sand, und schon fordert die nächste meine volle Aufmerksamkeit, bis auch diese, nach Sekunden, der übernächsten Platz macht. Surfen ist vollkommen re-aktiv, von aussen gesteuert. Spätestens seit Manfred Spitzers neuestem Buch „Digitale Demenz“ ist diese Tätigkeit als verdummend und süchtig machend in Verruf geraten. Da halte ich es schon eher mit unserem Zürcher Neuropsychologen Lutz Jäncke, der es fahrlässig findet, den Leuten auf diese Weise Angst einzujagen. Ich möchte deshalb lieber durch das Internet tanzen statt surfen. Tanzen ist die hochwertigste Form menschlicher Bewegung. Seitdem ich, zusammen mit meiner Frau, Tanzunterricht nehme, wächst von Jahr zu Jahr mein Respekt vor dieser Kunst. Man beginnt mit Tanzschritten, die in der Google Bildersuche als Abfolge von Fussabdrücken mit Richtungspfeilen dargestellt sind. Jedoch, Tanzen ist weit mehr, als das Setzen der Füsse in derartige Schablonen. Tanzen ist das rhythmisch fliessende, selbstbeherrschte Zusammenspiel unzähliger Bewegungsmöglichkeiten meines ganzen Körpers im Austausch mit der Partnerin. Besonders wichtig: Die Bewegungen gelingen nur, wenn das Zentrum führt. Die Glieder gehorchen dem Zwerchfell und den Drehungen der Hüften. Die Tanzfigur muss sich von der Körpermitte her entfalten. – Wer das Internet benützt, darf sich nicht von den Inhalten (ab)treiben lassen, sondern muss sich bewusst machen, was sie oder er damit anstellen will. Nicht Re-aktion sondern Re-flexion muss das Credo sein. Das Zentrum – und das ist in diesem Fall der menschliche Geist – muss unbedingt führen. Er darf sich anregen lassen von unzähligen Aussagen und Bildern, die eine Suchmaschine herbeischafft, aber er muss augenblicklich aussortieren, was seinem Führungsanspruch zuwiderläuft. Dann dienen die Klicks beziehungsweise Gesten der Weiter- und Höherentwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten. Damit können wir die Welt lustvoll verinnerlichen, unsere Orientierung festigen und unsere Fähigkeiten perfektionieren wie ein tanzendes Paar in seinem Saal.