Montag, 19. Juni 2017

Ambros P. Speiser

Prof. Dr. Dr.h.c. Ambros Paul Speiser (Bildarchiv der ETH-Bibliothek)

„Wir stehen heute auf den Schultern von Riesen.“ Damit können wir zwar weiter sehen, laufen aber Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren. Diese Kolumne ist den Riesen gewidmet. Wir wollen wissen, wie sie unsere digitale Welt erschaffen konnten und welche naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sie dafür benützten. Kaum jemand vermag noch zu durchschauen, wie etwa ein iPhone funktioniert. Dieses beglückt uns mit Apps, die im Alltag – etwa im Verkehr – schon ganz unentbehrlich sind. Darüber tiefer nachzudenken, lohnt sich, zumal es in Zürich programmiert wird. Am besten befragt man die Riesen selbst. Einer von ihnen war Ambros P. Speiser, der ETH-Professor, der in den Fünfzigerjahren den ersten schweizerischen Computer baute. Seine Gedankenwelt begegnet uns in den Büchern „Digitale Rechenanlagen“ und „Impulsschaltungen“ (Springer 1961 und 1963), worin er den kommenden Computerbauern den Stand der Technik mit Röhren und Transistoren auseinandersetzte. Beide Bücher habe ich damals gierig aufgesogen. Ich durfte ihm an der Gloriastrasse im Physikinstitut auch begegnen. Er wirkte auf mich etwas abgehoben, wie ein Aristokrat. Kürzlich kam mir ein etwas anderer Speiser entgegen. Geerdet von seinen Aufgaben als Leiter der IBM-Rüschlikon und später der BBC/ABB-Forschung in Baden hat er spät noch ein Buch für das Volk geschrieben: „Regenbogen, Licht und Schall – Naturphänomenen auf der Spur“ (Piper Taschenbuch 2003). Kenntnis der Phänomene wird hier fesselnd vermittelt, vom Blitzschlag bis zu der schwierigen Schaltertechnik, von Goethes Farbenlehre bis zu den Flachbildschirmen, über Oberflächen von Regentropfen bis zum Rastertunnelmikroskop, was IBM-Rüschlikon die Sicht auf Atome und den Nobelpreis einbrachte. Alles ist in einfachsten Sätzen geschrieben – ein wunderbares Buch für Eltern, die den Fragen der Cyberkids nicht ausweichen wollen, und für technikferne Politiker, die technologische Entscheide zu fällen haben. Oder für all jene, die sich vor den Riesen fürchten, weil sie die Grundlagen und Werkzeuge, mit denen unsere Welt funktioniert, nicht kennen. Dieses antiquarisch bestellbare Buch verdient eine Neuauflage oder den Erwerb durch die Gemeindebibliothek.
_________
1) Ambros P. Speiser: Entwurf eines elektronischen Rechengeräts, Mitteilungen aus dem Institut für Angewandte Mathematik der ETH-Z, Hrsg. E. Stiefel, 1950 und 1954
2) Ambros P. Speiser: Regenbogen, Licht und Schall - Naturphänomenen auf der Spur. Piper Taschenbuch, 2003, 251 S., ISBN 3-492-23515-8
3) Rudolf W. Meier: Ambros P. Speiser, Nachruf in den Badener Neujahrsblättern, 79(2004).
http://www.e-periodica.ch/cntmng?var=true&pid=ban-001:2004:79::239
4) Siehe auch: http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/Biographies/Speiser.html und http://www.library.ethz.ch/de/Ressourcen/Digitale-Bibliothek/Kurzportraets/Ambros-Speiser-1922-2003