Samstag, 27. September 2008

Rumba Clave


Die Rumba Clave lautet 1'+2+'3+4+'1+2'+3'+4+... Im Videoportal YouTube[2] bieten sich tolle Hilfen an, um neue Fertigkeiten zu erlernen. Nichts ist besser geeignet, einen ungewohnten Bewegungsablauf zu verstehen, als das Medium Film. In YouTube.com kommen Videoclips jeder Art per Stichworteingabe auf den Bildschirm. So führt Rumba zu Schlagzeug- und Tanzdarbietungen im Latino-Stil. Wer etwas genauer hinschaut, sortiert eigentliche Kurslektionen aus. YouTube wird von professionellen Schulen als Schaufenster benützt. Rhythmische Figuren werden am Schlagzeug didaktisch aufgebaut, was leicht aussieht und zum Nachspielen einlädt.[3] Sie erweisen sich aber als harte Brocken, wenn man nicht selber Afro-Kubaner ist.[4]

Bunte Bilder wie Wirtshausschilder in einer belebten Gasse führen zu Eingangstüren, man klickt und steht mitten drin in einem richtigen Schlaraffenland für Lernbegierige. Musiknoten, Klatschmuster, Snare- und Bass-Drum, Becken- und Hithat-Schläge werden einzeln demonstriert und im Zusammenspiel gezeigt. Bis es endlich klappt, vergehen Stunden, Tage. Ähnlich verhält es sich mit den Rumba-Tanzfiguren.[5]

Die Neurowissenschaften wissen, dass in jedem Lebensalter, zumal bei Senioren, Neues geübt und erlernt werden kann. Das Hirn bleibt plastisch. Durch beharrliches Üben bilden sich Unmengen neuer Verbindungen. Der Zürcher-Professor Jäncke hat diese Wachstumsvorgänge im Hirn genau vermessen.[6] Oliver Sacks beschreibt in seinem neuesten Buch wie die einzigartige Kraft von Rhythmus und Musik das Gehirn in komplexer Weise nachhaltig verändert.[7]

Man kann es auf dem Schlagzeug hören und in den Beinen fühlen, wenn es soweit ist. Ist man erst mal im Flow oder Groove[8], macht es riesig Spass. Man fühlt sich jung und gut, wenn man über Nacht zum Latino-Tänzer und -Drummer wird. Das Internet ist ein vitaler Jungbrunnen für Körper und Geist. 1'+2+'3+4+'1+2'+3'+4+... gibt neuen Schwung. Rumba, Samba, Tango, Cha-cha-cha, echte lateinamerikanische Lebensfreude ist erreichbar dem, der klickt.
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[1] Die Clave (span. (Noten-)Schlüssel) ist das Rückgrat der Latin-Music. Es ist eine rhythmisches Muster von 5 Schlägen, welches in Varianten auf den Claves (zwei Holzstäben) gespielt wird. Das obige Muster bezeichnet die Rumba Clave, die ich auf dem Schlagzeug eingeübt habe → Clave bei Wikipedia und http://rumbaclave.blogspot.com und www.formedia.ca/rhythms/1clave.html
[2] www.youtube.com
[3] http://www.youtube.com/watch?v=MdofVXugy1g&fmt=18
[4] http://www.kaisers-online.de/tanzen/index.htm zeigt eine andere Art animierter Einführung der Grundschritte im Paartanz, nämlich durch trickfilmartig bewegte Fussabdrücke. Hierbei geht allerdings die Körperhaltung verloren, die für das Tanzen ebenso wichtig ist.
[5] www.youtube.com/watch?v=mOgHz8utNc8 oder rumba, dann dance, dann Auswahl; siehe auch Fred Astaire Dance lessons
[6] www.brainmusic.org/EducationalActivitiesFolder/ Munte_plasticity2002.pdf
The musician’s brain as a model of neuroplasticity. In Nature Reviews Neuroscience, Volume 3, June 2002, p.473-478
[7] Oliver Sacks: Der einarmige Pianist. Über Musik und das Gehirn. Rowohlt 2008, 398 S.
[8] Schlagen Sie auch diese Wörter bei Wikipedia nach, es lohnt sich.

Montag, 1. September 2008

Solarkonstante


Die Energieversorgung ist im Umbruch. Die Angebote für die Gebäudeheizung sind widersprüchlich. In den Strassen stehen Bohrtürme, daneben Lastwagen mit Slogans Ideen für Erdwärme. Während vor den Garagen Offroader stehen, werden auf dem Dächern ein paar Quadratmeter Feigenblätter alias wassergefüllte Solarpanels montiert. Auf dem TV-Schirm flimmert die Meinung Erdgas hat Zukunft. An den ersten kalten Tagen werden da und dort Elektroöfeli angeknipst, dabei wären in der Übergangszeit die kaum bekannten Luftwärmepumpen, die in strengen Wintertagen versagen, besonders effizient. Gleichzeitig verwirrt uns die EKZ mit komplexen Tarifänderungen und "Boni", die in der Tagesschau ausgedeutscht werden müssen, nämlich dass unter dem Strich die Stromkosten markant steigen werden. Bald will der Bund 10 Windfarmen errichten. Die Hauptquellen unseres Stroms bleiben indessen die Wasser- und Kernkraftwerke.

Oerlikon Solar nimmt in Taiwan derzeit eine gigantische Fabrik in Betrieb, die neuartige mikromorphe Solarzellen billig produzieren soll, eine Trendwende in der direkten Verstromung von Sonnenlicht. Prof. Dr. Arvind Shah, mein ehemaliger Lehrer an der ETH, durfte dafür den Photovoltaik-Oskar entgegennehmen, die höchste Auszeichnung Europas auf diesem Gebiet.[1] Werden wir bald Dächer und Fassaden grossflächig damit ausrüsten? Was bringt’s? Die Sonne wärmt unseren Planeten mit 1376 Watt pro Quadratmeter = Solarkonstante. Dieser Wert sinkt allerdings drastisch durch Luftmasse, Bewölkung, Tage/Nachwechsel, Jahreszeiten, Bedeckung von Panels durch Schnee, so dass für die praktische Photovoltaik im Jahresmittel bei uns gerade noch 150 Watt/m2 zur Verfügung stehen.[2] Mit einem angestrebten 10% Wirkungsgrad dieser neuen Billigzellen werden durchschnittlich 15 Watt/m2 elektrischer Strom effektiv nutzbar. Auf unserem Süd-Dach und und der darunter stehenden Fassade sind etwa 100m2 für Photovoltaik nutzbar. Damit könnte ich übers Jahr 13’000 Kilowattstunden Elektrisch[3] von der Sonne beziehen. Mit Wärmepumpen kann damit ein durchschnittlicher 4 Personenhaushalt beheizt und mit Strom versorgt werden, wenn ein Jahresspeicher zur Verfügung stünde.[4] Solche gibt es für Heizzwecke allerdings nur zur Speicherung für einen Tag.

Damit bleibt die völlig autarke und CO2-freie Stromversorgung für Private vorläufig ein Traum. Denn ausgerechnet im Winter, wo geheizt werden muss, fällt am wenigsten Sonnenenergie an. Der Anschluss ans EKZ muss bestehen bleiben, weil dieses den Jahresspeicher zur Verfügung stellt. Es kauft den überschüssigen Solarstrom der Privathaushalte im Sommer ab[5] und liefert ihn im Winter zurück. Fazit: Auch wer eine grosse Solaranlage mit Wärmepumpe installiert, kann nicht damit rechnen, zu Hause energetisch unabhängig zu werden. Wenn man aber ein Elektroauto in Erwägung zieht und den Solarstrom zum Aufladen der Fahrzeugbatterien verwendet, sieht das besser aus. Kann ich doch mit 1 Kilowattstunde etwa einen Kilometer fahren. Ich kann also gut 10000 Kilometer pro Jahr Autofahren mit meiner grossen Solaranlage. Ein Auto verbraucht übrigens ähnlich viel Energie wie ein 4 Personenhaushalt.[6] Dass der Strom durch Solarzellen an Häusern und auf Dächern den Strom aus Wasser- und Kernkraft verdrängt, eine Schweiz bestehend aus schwarzglänzenden Häusern und Dächern, werden vielleicht unsere Enkel erleben.
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[1] NZZ Online: Christian Speicher: Anhaltender Höhenflug der Photovoltaik, 12. Sept. 2007.
[2] Ludwig Bergmann, Wilhelm Raith, Clemens Schaefer: Elektromagnetismus: Experimentalphysik Bd. 2 8a, Walter de Gruyter, 1999, die Seite ist im Internet sichtbar.
[3] 15 W/m2 * 100m2 * 365 * 24h = 13’104 kWh; mit hydraulischen Solarkollektorenflächen kann im Jahresmittel deutlich mehr Energie gewonnen werden, allerdings nur Wärmeenergie, keinen Strom.
[4] Beispiel aus dem EKZ Kundenbrief vom 25. August 2008. Der Zellenpreis kann in der mutmasslichen Lebensdauer von >30 Jahren heute kaum amortisiert werden; die Zellenkosten müssen noch drastisch sinken, bis sich eine solche Investition ohne staatliche Zuschüsse rechnet.
[5] Auf www.ekz.ch lese ich, dass für Strom aus Solaranlagen ab 2009 eine kostendeckende Einspeisungsvergütung von 0.48 Rp./kWh vorgesehen ist.
[6] Link zu pdf: Stromverbrauch Haushaltapparate und Auto.