Dienstag, 19. Januar 2016

Elon Musk


Elon Musk 2015

Während die Unternehmer-Ikone Steve Jobs durch die Kinosäle flimmert, ist der 44-jährige Weltveränderer Elon Musk erst im Kommen. Sein Vermögen wird auf 13 Milliarden USD geschätzt. Der robuste Mann hat es selbst erworben durch Genialität, äusserste Risikofreude verbunden mit stahlharter Willenskraft und unsäglicher Leidensfähigkeit, als wiederholt alles zu scheitern drohte. Wie Jobs verlangte er von sich und seinen Mitarbeitern alles ab. Er ist ein getriebener Marsianer, beseelt von der Vision, eines nicht allzu fernen Tages auf dem roten Planeten mit 80’000 Siedlern eine Kolonie zu gründen, zur Rettung der Menschheit, falls die Erde im Klimawandel unbewohnbar würde. Die Bücher dazu hat er schon als Kind in Südafrika verschlungen. Als Zwölfjähriger schrieb er erste Computerprogramme. Seither arbeitet er zielbewusst an der Umsetzung, mit wachsendem Erfolg, 1995 als Besitzer eines Internetverzeichnisdienstes, den er gewinnbringend verkaufte, später mit dem Online-Bezahlsystem Paypal, das ihm einen Geldsegen von 200 Millionen einbrachte, als es von eBay übernommen wurde.

An Weihnachten 2015 wurden wir Zeugen eines beispiellosen Etappenziels: Seine 9-flammige Trägerrakete Falcon 9 kehrte, nachdem sie 11 Satelliten in Umlaufbahnen abgesetzt hatte, zurück und setzte sanft auf ihrem Startplatz in Cape Canaveral auf. Es war wie wenn der Film des Starts rückwärts abspult, doch diesmal war es real! Der Wiederverwendbarkeit der 400 Tonnen schweren Rakete steht nun nichts mehr im Weg. Es geht Musk darum, mit seiner Weltraum-Firma SpaceX die Kosten zu drücken. Durch konsequenten Eigenbau der Triebwerke, der Raketenhülle und nicht zuletzt der Computerelektronik für den Transfer von Satelliten in die Erdumlaufbahn senkte der verspottete Entrepreneur den Preis auf ein Drittel oder Viertel im Vergleich zur etablierten amerikanischen, russischen, chinesischen und europäischen Konkurrenz. Die Wiederverwendbarkeit der Raketen wird den Preis weiter drastisch ermässigen. Für 2017 sind Personentransporte zur ständigen Raumstation ISS geplant. Dafür wird die wiederverwendbaren Raumkapsel Dragon mit sieben Sesseln feudal eingerichtet. Ferner plant Elon Musk mit einer 27-flammigen Rakete Falcon Heavy Menschengruppen, wie sie auf der Erde in einem grossen Bus reisen, auf den Mars fliegen zu lassen. Der Jungfernflug der Heavy ist im Oktober 2016 gebucht, freilich vorerst “nur” für geoorbitale Satelliten-Nutzlast und noch nicht in einer Fluchtbahn zum Mars. Jedoch wurden durch SpaceX die Raumfahrtambitionen der USA und ihre trägen Zudiener definitiv aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt.

Mit seinen Ideen, seiner Tatkraft und seinem Geld weckte Elon Musk zwei andere Industriezweige, die US-Autoindustrie und die Solarindustrie, aus ihrer Lethargie. Gleichzeitig mit SpaceX (Los Angeles) gründete er im Silicon Valley den Autohersteller Tesla. Eine Autobranche, die noch immer auf fossilen Treibstoff setzt und nicht auf Elektroantrieb umstellen will, ist in Musks Augen frevlerisch. 2008 brachte er unter der Marke Tesla Roadster den ersten vollelektrischen Seriensportwagen heraus. Es war die Zeit, als die US-Autobranche und die Finanzmärkte einbrachen. Trotzdem wurden bis 2012 2500 Roadster verkauft. Nun lief die Oberklassenlimousine Tesla Model S vom Band, die man auch in Kilchberg immer häufiger sieht. Musk wollte gleichzeitig eine grosse Reichweite, modernste Navigationshilfen und Fahrassistenten, eine maximale Beschleunigungsfähigkeit, dazu Komfort, was mit einem geräuschvollen Benzin-Hilfsmotor nicht zu erreichen ist. Nach Apples Vorbild entstanden weltweit Tesla-Verkaufsläden, worin der Tesla S zum Preis ab etwa 70’000 Dollar verkauft wird. Das ist nicht übertrieben hoch, sind doch die Sprit-(Solarstrom) und Servicekosten gleich Null. Im Vergleich zu den tausend Teilen in einem Benzinmotor besteht der Motor des Tesla aus nur 3 beweglichen Teilen und ist ohne Getriebe direkt mit den Rädern verbunden. Musk überzog die USA mit 2500 Schnell-Ladestationen, die den Strom ausschliesslich aus Sonnenzellen beziehen. Teslas laden ihre Batterien dort gratis. Auch in der Schweiz gibt es bereits 11 Supercharger-Stationen mit je 6 Ladeplätzen. Möglich machte das die Firma Solar-City, Elon Musks dritte Firma, die er mit seinen Cousins, den Gebrüdern Rive, betreibt. Solar-City ist eines der grössten und erfolgreichsten Cleantech-Unternehmen in den USA. In etwa 30 Minuten kann die Batterie im Tesla S aufgeladen werden mit Energie, die für 400 oder mehr Kilometer reicht. Noch schneller geht es mit einem Batterietausch, wofür am Wagenboden eine Vorrichtung eingebaut ist. Musk ist nun der grösste Verbraucher von Lithium-Ionen-Batterien und wird in diesem Jahr eine Megafabrik in der Wüste Nevadas in Betrieb nehmen, um auch die Tesla-Batteriepacks selber zu bauen. Panasonic liefert die Zellen-Technologie und ist an der Fabrik beteiligt. Vorausschauend erwartet man eine gigantische Nachfrage nach den Tesla Hightech-Akkus, denn es soll bald das Tesla Modell 3 auf den Markt kommen, zum Preis von nur 35‘000 Dollar, der eine hohe Stückzahl verspricht. Teslas Batterien werden auch massenhaft in Gebäuden eingebaut, um die Verbrauchs-Tagesschwankungen und die variable Sonneneinstrahlung auszugleichen. Selbstverständlich tendiert Musk auf komplette Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz, was in Neubauten bereits jetzt machbar ist. Als nächstes wird das SUV Tesla Modell X in unseren Strassen Aufsehen erregen. Es besitzt nämlich Flügeltüren, die nach oben aufklappen. Es bietet mit sieben vorwärts gerichteten, teils drehbaren Sitzen maximalen Spass, Komfort und praktischen Nutzen, insbesondere für Familien. 2014 wurden gut 50’000 Teslas abgesetzt. Tesla fordert damit Mercedes und BMW im Oberklassensegment heraus, mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Deutschen kein wirklich zukunftsweisendes Antriebskonzept vorweisen können. Es wird deshalb interessant sein, zu beobachten, wie die benachbarte Autonation dieses Manko ausgleichen wird. Schon jetzt haben die Europäer rein elektrische Modelle in der Palette, die aber alle mit Tesla nicht mithalten können, insbesondere bei der Reichweite der Batterien. Möglich dass hier und dort Tesla-Batterien eingebaut werden, womit das kostbarste Stück im europäischen Auto dann von Tesla wäre. Elon Musk hat übrigens die vielen Patente aus seiner Fahrzeugentwicklung freigegeben, in der Absicht, damit eine Grundwelle des Umdenkens in der Branche auszulösen und die Aufholjagd abzukürzen. Dazu sagte Musk: “Wenn die Offenlegung der Tesla-Patente bedeutet, dass andere Unternehmen leichter Elektroautos bauen können, dann ist das gut für die Menschheit.”

Die schwere Zeit im Jahr 2008 – Space X und Tesla hatten enorme technische Probleme und standen vor dem Konkurs – sagt viel über Musks Charakter aus. Man begegnet einem Mann, der mit nichts in die USA gekommen war, ein Kind verloren hatte, in der Presse von Journalisten und seiner Exfrau verspottet wurde und beinahe sein Lebenswerk scheitern gesehen hätte. Er konnte härter arbeiten und mehr Stress aushalten als jeder andere. Er aber hat nicht einfach nur überlebt. Er hat immer weiter gearbeitet und zwar hoch konzentriert. Seine Fähigkeit zur Konzentration mitten in der Krise ist tatsächlich einer der wichtigsten Ressourcen von Musk. Die meisten Führungskräfte, die unter solchen Druck geraten, bekommen Angst, sie  treffen dann falsche Entscheidungen. Elon dagegen wird hyperrational und kann weiterhin sehr klare, langfristige Entscheidungen treffen. Je schwieriger es wird, desto besser wird er. Jeder, der aus erster Hand gesehen hatte, was er durchmachen musste, hatte hinterher mehr Respekt für ihn. Menschen, die so viele Schmerzen aushalten, sind rar. Dennoch ist es derzeit schwierig, die Person Elon Musk zu würdigen. Seine Vision einer interplanetaren Gesellschaft ist noch weit entfernt. Damit würde er die Menschheit inspirieren wie kaum jemand zuvor. Die grossen Entdecker wie Kolumbus und Magellan wären klein dagegen. Musk ist sich dessen durchaus bewusst, wenn er rhetorisch fragt: “Glauben Sie, dass ich verrückt bin?” Und doch ist er drauf und dran, Personen mit Ausrüstung ins Weltall zu bringen und unversehrt zurückzuholen, zu einem winzigen Bruchteil der Kosten. Was einer halben Million Fachleuten in den 50 US-Staaten in Jahrzehnten nicht gelang, schaffte er mit 3000 Leuten in wenigen Jahren in einer einzigen Fabrik. Doch was würde bestehen bleiben, wenn ihm etwas zustiesse? Er schützt sich nicht, läuft weitgehend ohne Aufpasser herum. Mit Space X, Tesla Motors, Solar-City und der Gigafabrik für Batterien in Nevada wird er für über 20’000 Mitarbeiter verantwortlich sein. Da wird über Klimawandel nicht verhandelt, sondern die überzeugendsten Innovationen gegen Erderwärmung einfach verwirklicht – und der Menschheit gleichzeitig, für alle Fälle, eine Fluchtmöglichkeit verschafft. Sein Beispiel wird Cleantech weltweit befeuern und die Hoffnung, was nachhaltige Technologie für die Menschen Gutes tun kann, wieder aufleben lassen. Er befasst sich viel stärker und vielseitiger mit Details als etwa Steve Jobs oder Bill Gates. Musk kann programmieren und besitzt auch ein umfassenderes Wissen als diese beiden. Er hat immerhin Wirtschaft und Physik studiert und ist sehr belesen. Die Öffentlichkeitsarbeit macht er, leicht stotternd, oft selbst. Seine fünf Söhne, Zwillinge und Drillinge, aus erster Ehe nimmt er auf Geschäftsreisen mit und hofft, dass es sie bildet. Mit seiner zweiten Frau Talulah Riley bespricht er auch technische und geschäftliche Fragen, besonders seit er seine rechte Hand, Mary Beth Brown, eine blitzgescheite und loyale Mathematikerin, kurzerhand entlassen hat. Er kann die besten Leute anheuern und dennoch ein knallharter Patron sein. Privat aber ist er sanft, emotional und sehr beschützerisch. Er ist nicht von Launen getrieben, sondern steckt mit seinen Visionen an. Er verstrickt sich nicht in Details, er arbeitet zielorientiert, und seine Ziele könnten grossartiger nicht sein. Vor kurzem hat Elon Musk sich mit anderen Unternehmern und Wissenschaftlern in der Nonprofit-Gesellschaft „OpenAI“ zusammengetan, um die positiven Aspekte Künstlicher Intelligenz zu erforschen. OpenAI stehen eine Milliarde Dollar Startkapital zur Verfügung. Musk hatte in der Vergangenheit mehrfach vor den Gefahren der Künstlichen Intelligenz gewarnt und sie als die "vermutlich grösste Gefahr für unsere Existenz" bezeichnet. OpenAI hat das Ziel, digitale Intelligenz so zu erweitern, dass die gesamte Menschheit davon profitieren kann. Dies ist das Credo von Elon Musk: Der Menschheit zu dienen
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Literatur:
- Ashlee Vance: Elon Musk: Wie Elon Musk die Welt verändert - Die Biografie. FinanzBuch Verlag, 2015, 368 S.
https://www.ted.com/talks/elon_musk_the_mind_behind_tesla_spacex_solarcity, auch als Hörbuch bei Audible
- Reportage von National Geographic zur Tesla Autofabrik in Fremont, Kalifornien: https://youtu.be/R7OAcdNWF_0
- Ausführlicher neutrale Fahrbericht für Tesla S Stand 2015: https://www.youtube.com/watch?v=OwjofNmr4fM