Montag, 1. September 2008

Solarkonstante


Die Energieversorgung ist im Umbruch. Die Angebote für die Gebäudeheizung sind widersprüchlich. In den Strassen stehen Bohrtürme, daneben Lastwagen mit Slogans Ideen für Erdwärme. Während vor den Garagen Offroader stehen, werden auf dem Dächern ein paar Quadratmeter Feigenblätter alias wassergefüllte Solarpanels montiert. Auf dem TV-Schirm flimmert die Meinung Erdgas hat Zukunft. An den ersten kalten Tagen werden da und dort Elektroöfeli angeknipst, dabei wären in der Übergangszeit die kaum bekannten Luftwärmepumpen, die in strengen Wintertagen versagen, besonders effizient. Gleichzeitig verwirrt uns die EKZ mit komplexen Tarifänderungen und "Boni", die in der Tagesschau ausgedeutscht werden müssen, nämlich dass unter dem Strich die Stromkosten markant steigen werden. Bald will der Bund 10 Windfarmen errichten. Die Hauptquellen unseres Stroms bleiben indessen die Wasser- und Kernkraftwerke.

Oerlikon Solar nimmt in Taiwan derzeit eine gigantische Fabrik in Betrieb, die neuartige mikromorphe Solarzellen billig produzieren soll, eine Trendwende in der direkten Verstromung von Sonnenlicht. Prof. Dr. Arvind Shah, mein ehemaliger Lehrer an der ETH, durfte dafür den Photovoltaik-Oskar entgegennehmen, die höchste Auszeichnung Europas auf diesem Gebiet.[1] Werden wir bald Dächer und Fassaden grossflächig damit ausrüsten? Was bringt’s? Die Sonne wärmt unseren Planeten mit 1376 Watt pro Quadratmeter = Solarkonstante. Dieser Wert sinkt allerdings drastisch durch Luftmasse, Bewölkung, Tage/Nachwechsel, Jahreszeiten, Bedeckung von Panels durch Schnee, so dass für die praktische Photovoltaik im Jahresmittel bei uns gerade noch 150 Watt/m2 zur Verfügung stehen.[2] Mit einem angestrebten 10% Wirkungsgrad dieser neuen Billigzellen werden durchschnittlich 15 Watt/m2 elektrischer Strom effektiv nutzbar. Auf unserem Süd-Dach und und der darunter stehenden Fassade sind etwa 100m2 für Photovoltaik nutzbar. Damit könnte ich übers Jahr 13’000 Kilowattstunden Elektrisch[3] von der Sonne beziehen. Mit Wärmepumpen kann damit ein durchschnittlicher 4 Personenhaushalt beheizt und mit Strom versorgt werden, wenn ein Jahresspeicher zur Verfügung stünde.[4] Solche gibt es für Heizzwecke allerdings nur zur Speicherung für einen Tag.

Damit bleibt die völlig autarke und CO2-freie Stromversorgung für Private vorläufig ein Traum. Denn ausgerechnet im Winter, wo geheizt werden muss, fällt am wenigsten Sonnenenergie an. Der Anschluss ans EKZ muss bestehen bleiben, weil dieses den Jahresspeicher zur Verfügung stellt. Es kauft den überschüssigen Solarstrom der Privathaushalte im Sommer ab[5] und liefert ihn im Winter zurück. Fazit: Auch wer eine grosse Solaranlage mit Wärmepumpe installiert, kann nicht damit rechnen, zu Hause energetisch unabhängig zu werden. Wenn man aber ein Elektroauto in Erwägung zieht und den Solarstrom zum Aufladen der Fahrzeugbatterien verwendet, sieht das besser aus. Kann ich doch mit 1 Kilowattstunde etwa einen Kilometer fahren. Ich kann also gut 10000 Kilometer pro Jahr Autofahren mit meiner grossen Solaranlage. Ein Auto verbraucht übrigens ähnlich viel Energie wie ein 4 Personenhaushalt.[6] Dass der Strom durch Solarzellen an Häusern und auf Dächern den Strom aus Wasser- und Kernkraft verdrängt, eine Schweiz bestehend aus schwarzglänzenden Häusern und Dächern, werden vielleicht unsere Enkel erleben.
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[1] NZZ Online: Christian Speicher: Anhaltender Höhenflug der Photovoltaik, 12. Sept. 2007.
[2] Ludwig Bergmann, Wilhelm Raith, Clemens Schaefer: Elektromagnetismus: Experimentalphysik Bd. 2 8a, Walter de Gruyter, 1999, die Seite ist im Internet sichtbar.
[3] 15 W/m2 * 100m2 * 365 * 24h = 13’104 kWh; mit hydraulischen Solarkollektorenflächen kann im Jahresmittel deutlich mehr Energie gewonnen werden, allerdings nur Wärmeenergie, keinen Strom.
[4] Beispiel aus dem EKZ Kundenbrief vom 25. August 2008. Der Zellenpreis kann in der mutmasslichen Lebensdauer von >30 Jahren heute kaum amortisiert werden; die Zellenkosten müssen noch drastisch sinken, bis sich eine solche Investition ohne staatliche Zuschüsse rechnet.
[5] Auf www.ekz.ch lese ich, dass für Strom aus Solaranlagen ab 2009 eine kostendeckende Einspeisungsvergütung von 0.48 Rp./kWh vorgesehen ist.
[6] Link zu pdf: Stromverbrauch Haushaltapparate und Auto.

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