Montag, 3. April 2017

Das Twitter-Quartett

(Bildquelle: Wikimedia Commons)

Wenn ein und derselbe bunte Vogel auf deinem Balkon zwitschert, mehrmals am Tag, magst du dich fragen, was er dir wohl mitteilen möchte. Vielleicht legst du ihm Brosamen auf das Geländer, oder Apfelschnitze. Bald sind mehrere Vögel da, und das Gezwitscher kann ganz schön Lärm machen. Es war ein Künstler namens Noah Glass, der “Twitter” (= engl. Gezwitscher) als Name vorschlug. Noah in San Francisco ist einer der vier Gründer der Micro-Blogger-Website Twitter, die es dir seit zehn Jahren ermöglicht, der Welt mit deinem Smartphone und sogar per SMS in maximal 140 Zeichen mitzuteilen, wo du gerade eine grüne Zahnbürste gekauft hast. Diese Möglichkeit, in die Welt zu zwitschern, was immer dir beliebt, interessiert offenbar viele Menschen.Twitter konnte einen rasanten Zuwachs verzeichnen, zwitschern via Twitter ist in. Es kamen so viele, dass der Draht riss und die Äste brachen, auf denen sie sassen. Die vier Gründer mussten laufend neue Server in Betrieb nehmen, um nach kurzer Zeit festzustellen, dass es immer noch nicht reichte. Sie konnten sich einfach nicht vorausschauend ausrüsten, jahrelang. Nicht weil das Geld für Datacenter fehlte, es floss in Strömen, von Investoren, die nur am Nutzerwachsum interessiert waren. Nein, Twitter brach oft zusammen, weil die chaotischen Hacker - anders als bei Google - nicht planten. Über ihren Programmierplätzen prangte das Logo “Let’s make tomorrow better mistakes.” Während sie ihre Webseite immer wieder hoch päppelten, stritten sie sich über den eigentlichen Sinn und Zweck ihres Zwitscherdienstes: Der Welt mitzuteilen, was du gerade tust, oder der Welt mitzuteilen, was gerade passiert? Inzwischen haben die 400 Millionen aktiven Nutzer diese Frage für sich entschieden. Während @realDonaldTrump täglich mehrmals mitteilt, was er gerade tut, liest man bei den @FDP_Liberalen, was aus Parteisicht gerade passiert. Trump twittert übrigens auch offiziell als @POTUS aus dem weissen Haus. Obamas Twitter-Account wurde auf @POTUS44 umbenannt, der 44. Präsident eben. Doch Trump benützt seine Privatadresse wie im Wahlkampf weiterhin, fast stündlich. Zwitschernd verschiebt er die politische Landkarte und erzeugt, Tweet um Tweet und im Krieg mit der Presse, immensen Impakt in der Welt.

Februar 2006: Schrill klingelte die Glocke um 18 Uhr. Alle Programmierer strömten zusammen, Bierdeckel knallten, klackerten zu Boden, das Hackathon bei Odeo ging zu Ende. Odeo, eine Podcasting-Webseite, erlaubte es, Audio und Video-Botschaften zu senden, aufzuzeichnen und zu teilen. Es war nicht klar, wie sich die Firma weiterentwickeln sollte. Zur Klärung wurde ein Hack-Day angesagt. Da konnte jeder Mitarbeiter frei programmieren, um dann seine Ideen zu präsentieren. Welches die beste sei, entschied der Chef, Evan Williams, der viel investierte und riskierte. Die Wahl fiel auf Twitter. Sie vereinbarten, dass Jack Dorsey und Biz Stone innert nur 2 Wochen einen Prototypen entwickeln sollten. Evan kam zu Geld, als Google sein Startup “Blogger” kaufte, aus welchem später “blogspot.com” wurde. (Sie lesen gerade auf Blogspot!) Der introvertierte, konfliktscheue Farmersohn wurde mit seinem Vermögen zum Hauptinvestor bei Twitter. Er brach das Studium ab und brachte sich selbst das Programmieren bei. Die Zusammenarbeit des Quartetts war kreativ, aber schwierig. Zankapfel war das ungeheure Potential des Internets. Bald wurde der überspannte Noah für die anderen unerträglich, weil er sein Temperament nicht zügeln konnte. Obgleich er Twitter aus der Taufe hob, schmissen sie ihn hinaus. Das Startup Twitter war ein chaotisches Hacker-Kollektiv. Die Einnahmen waren Null - jahrelang! Ehrgeizig verfolgte jeder verbissen seine eigene Ideen, um die Welt mit 140 Zeichen zu verändern. Dennoch, mit ihrer Microblog-Webseite trafen sie offensichtlich einen Nerv, denn bald hagelte es Anmeldungen. Aber für eine angemessene Infrastruktur und die Fragen der neu eingestellten Programmiere fühlte sich bei Twitter niemand verantwortlich. Trotz Negativschlagzeilen wuchs Twitter rasant und mauserte sich zum ultimativen Blitz-Nachrichtendienst, für Medienkonzerne und Aktivisten ebenso, wie für Musiker nach dem Motto “Alles, was gerade los ist.” Twitter fühlt der Welt, wo immer man hinschaut, augenblicklich den Puls. Deshalb interessieren sich auch Regierungen: Ihre Nachrichtendienste sehen durch Twitter am besten, was in Konfliktherden gerade passiert. Twitter, von Aussen eine Art Webseite, wurde im Juni 2010 noch immer von Kaugummi und Malerkrepp zusammengehalten.

Ausgerechnet als der russische Präsident Medwedew im Juni 2010 in San Francisco die Twitter-Zentrale betrat, brach der Dienst zusammen. Der Besuch wurde wochenlang vorbereitet. Man versuchte den Präsidenten abzulenken, hinzuhalten - bis es den Technikern gelang, Twitter wieder in Betrieb zu nehmen. Als Medwedew seinen ersten Tweet absetzte, ist Twitter haarscharf am Rufmord vorbeigeschrammt. Medwedews Tweet wurde augenblicklich rund um den Globus gelesen und von Obama und anderen Würdenträger beantwortet. Inzwischen twittern sie alle, Putin wöchentlich mehrfach, Merkel lässt von einem Regierungssprecher twittern - und wird dafür auf Twitter parodiert, Hollande hat bald 5000 Tweets abgesetzt, Elon Musk die Hälfte, Erdogan liess Twitter sperren, twittert aber seine Massenauftritte derzeit täglich live über Twitter-Periscope. Auch unser Bundesrat lässt über eine Fanseite twittern. Beziehungsweise: Er kann es nicht verhindern, dass Fans und Parodisten in seinem Namen twittern. Facebook hat 99% authentische Seiten. Twitter dagegen kontrolliert kaum, wer unter falschem Namen twittert. Fake News! Dies widerspiegelt die chaotische Hackermentalität seiner vier Gründer. Jeder war mit seinem Ego so sehr beschäftigt, dass sie sich abwechselnd aus der Firmenleitung schmissen, und die Techniker und die Medien oft nicht wussten, wer das Sagen hatte. Twitter entwickelte sich dank diesem Seilziehen aber besonders effektiv. Der Treibstoff war die grandiose Zuwachszahl. Anders als bei Google, wo für ausreichende Serverkapazität und minimale Ausfallzeiten umsichtig planend gesorgt wurde, brach der Kurznachrichtendienst notorisch zusammen. Und es gehen die Tweets, die fast alle öffentlich sind, schätzungsweise zur Hälfte an digitale Gespenster. Fake-Accounts indessen sorgen für Fake-News, was bei Twitter ein unübersehbares Problem ist. Dass sich Twitter dennoch als grösstes Nachrichtenportal entpuppte und die seriösen Medienagenturen zunehmend in Interpreten verwandelt, mag erstaunen. Heute behauptet sich Jack Dorsey (Bild) an der Spitze des bald 100 Milliarden Dollar Unternehmens. Der unbotmässige Möchtegern-Modedesigner und Geck hat die drei anderen Gründer aus der Firma verdrängt. Herausgeworfen - und zurückgeholt, darüber haben wir doch schon bei Steve Jobs berichtet? Wegen auffallender Ähnlichkeit seiner Karriere mit Steve Jobs jagt er seinem grossen Vorbild nach und imitierte es in jeder Hinsicht. Deswegen kann er heute auch unter dem Begriff “Steve Jobs 2.0” gegoogelt werden. Und in der Tat: seit seiner Rückkehr zu Twitter und dem Rausschmiss aller Gründer aus dem Twitter-Führungsteam, das heute auch aus zwei Frauen besteht, macht @Jack seinen Job als CEO bei Twitter gut. Und wie Jobs ist er überdies im Vorstand von The Walt Disney Company.

Dienstag, 13. Dezember 2016

Mark Zuckerberg

Mark Zuckerberg   (Bild: Wikimedia Commons)


Vor 3 Jahre schrieb ich an dieser Stelle über das Web 2.0 und das angebrochene Jahrzehnt der sozialen Beziehungsnetze. Facebook stagnierte damals in der Schweiz bei rund 3 Millionen aktiver Nutzer. Doch heute sind es 3.76 Millionen, wobei vor allem die älteren Jahrgänge stark zulegten. Der Gründer und Ceo Mark Zuckerberg meldete kürzlich auf seiner Facebook-Chronik 1.7 Milliarden (!) Facebook-Nutzer. Dies kann man zur Weltbevölkerung von 8 Milliarden und einer Internet-Penetration von 46% in Beziehung setzen: Etwa jeder/jede Zweite im Internet benützt nunmehr Facebook. Während der Zuwachs in der Schweiz abflacht, legt die Welt noch rassig zu. Facebook kann unbeschränkt Mittel einsetzen, um die ganze Welt mit Facebook beziehungsweise mit Internet zu versorgen, und nichts weniger ist Zuckerbergs wichtigstes Ziel. Zwar verlor Facebook kürzlich einen Satelliten, der über Afrika eingesetzt werden sollte, weil die SpaceX-Trägerrakete Falcon 9 bei der Sauerstoff-Betankung vor dem Start explodierte. Wie gut, dass Mark, der zu diesem Zeitpunkt in Afrika weilte, über den Bau seines Facebook-Solarflugzeugs “Aquila” berichten konnte, das tagelang über einer Stelle schweben soll, nicht allzu hoch, damit die dortigen Handys problemlos mit Internet versorgt werden. Dies ist der Anfang einer Hardware-Initiative: Facebook als erfolgreiche Softwarefirma will auch eine Fabrik werden. Ob letzteres dem Harvard-Abbrecher mit nur knapp 2 Jahren Informatik und Psychologie ebenso gelingt, wie die Menschen möglichst attraktiv zu vernetzen, bleibt abzuwarten.

Mit Facebook entstanden viele soziale Webdienste. Einige sind bis heute geblieben, LinkedIn etwa, für Karrierebewusste, oder Orkut in Brasilien und Indien, und natürlich Google+ mit seinen verwirrenden Nebenfunktionen, das aber zu spät in Erscheinung trat und nun den Rückstand in den Benutzerzahlen kaum noch wettmachen kann. Sicher ist, dass Mark Zuckerberg mit seinen minimalistischen, fokussierten Prinzipien das mit Abstand bedeutendste soziale Netz geschaffen hat. Dabei ging es ihm nie um den Ersatz von Beziehungen in Fleisch und Blut, sondern um die Unterstützung und Bereicherung derselben. Facebook und nicht etwa Instagram ist heute das bedeutendste Fotoportal. Kalendarisch werden mir alte Erinnerungen gezeigt, und ich bin überrascht, meistens wirklich anrührende Bilder wieder zu sehen, Ereignisse, die ich gern mit bestimmten Freunden oder der Familie wieder teile. Wie trifft Facebook eine so kluge Auswahl? – Auch hier ist künstliche Intelligenz im Anmarsch, die ich bis heute als sympathisch und zuvorkommend empfinde.

12 Jahre gibt es Facebook nun, und Mark hat sich immer als genialer Mitbegründer, Vorsitzender und CEO erwiesen. Auch in kritischen Phasen traf “Zuck” immer die erfolgreichste Entscheidung. Z.B. als Yahoo mit einem Kaufangebot von über einer Milliarde den damals 22-Jährigen weich machen wollte. Der Baby-Milliardär hatte die Führungsriege gegen sich, als er den Geldsegen mit dem Argument ablehnte, am Geld liege ihm nichts, am Wachstum seiner sozialen Weltverbesserungs-Idee indessen alles. Der Visionär sah den Durchbruch kommen, und diesen wollte er selber gestalten. Er erwies sich als ein ganz grosser Unternehmer, der aus dem Nichts mit einem einzigen Programm seine beispiellos profitable Firma zügig ausbaute. Dabei blieb der milchgesichtige, kleinwüchsige aber mit einer sonoren Stimme ausgestattete Unternehmer stets menschlich-freundlich, nicht arrogant wie Steve Jobs, nicht chronisch überfordert und tyrannisch wie Elon Musk, nicht derart unsozial wie Jeff Bezos, nein Mark ist ein sonniger Mensch, der sich als guter Ehegatte und Familienvater liebevoll, achtsam und skandalfrei zu leben versteht. Als ein von Idealen Getriebener arbeitet er laut seinem Facebook-Profil in der Chan Zuckerberg Initiative, die mit dem Hauptteil seines Vermögens wohltätige Zwecke verfolgt. Priscilla Chan, so der Name seiner Frau, studierte Kinderärztin, scheint dafür die ideale Managerin zu sein. 2011 wurde er Vegetarier aus Dankbarkeit über sein Glück. Vorher ass er gern jeden Tag Fleisch, plötzlich entschloss er sich, aus Respekt und Achtsamkeit keine Tiere mehr zu essen. Mit einem Umsatz von 20 Milliarden und einem Gewinn von 4 Milliarden pro Jahr steht sein Facebook äusserst solid da. Mark Zuckerberg erwarb mit seinen 31 Jahren 44,6 Milliarden Dollar Vermögen und belegt Rang 6 der Reichsten dieser Welt auf, dank seinem einzigartigen, klug gesteuerten Geschäftsmodells, dank der Hebelwirkung des Internets und – dank Ihren persönlichen Daten (!), die Sie Facebook bereitwillig Tag für Tag anvertrauen. 42 Minuten Lebenszeit verbringt jeder Nutzer täglich bei Facebook – fast 5 Stunden pro Woche, nur Google schafft noch mehr. Facebook bringt es fertig, echte Persönlichkeitsprofile überprüfbar zu vernetzen und es stellt ein immer perfekteres Instrumentarium zur Verfügung, um die Privatheit zu skalieren und auf sich überlappende Freundeskreise abzustimmen. Und was tun die meisten im Facebook? Sie schauen sich die Profile und Bilder der anderen an, die oft nur deren Freunden zugänglich sind, ergo sendet man einen Freundschaftsantrag, der nicht selten bestätigt wird. Ein Wachstumsfaktor ohnegleichen!

Facebook legt grossen Wert auf gute Bilder. In der bezahlten Werbung werde Bilder, die mit Text angereichert sind, zurück gewiesen. Facebook schuf in seiner Fabrik kürzlich die Rundum-Brille Oculus. Sie wird angetrieben von sphärischen Videoaufnahmen und von Raumkoordinaten. Man orientiert sich in diesem Vollraum einfach, indem man - wie im realen Leben - in die interessante Richtung blickt. Das funktioniert sogar auf dem Handy, das ja mit Bewegungs- und Richtungssensoren ausgestattet ist. Man wird garantiert bald Menschen sehen, die mit dieser “Taucherbrille” herumlaufen, die sich in alle Richtungen wenden und drehen, weil sie virtuelle Attraktionen sehen, die dir verborgen sind. Besonders komisch wird es dann, wenn man zu zweit damit schwerelos Ping Pong spielt. Moment mal, was kann man denn damit noch anfangen, wenn die Kameras dazu auch in meiner Brille eingebaut sind? Sie können dann um ihre Freunde herumlaufen oder ihre Spinnenangst loswerden oder virtuelle Knetmasse modellieren und danach im 3D-Drucker ausgeben. Teleportation wird alltäglich.

Mit einem Umsatz von 20 Milliarden und einem Gewinn von 6 Milliarden pro Jahr steht heute sein Facebook äusserst solide da. Der 31-Jährige erwarb damit 44,6 Milliarden Dollar Vermögen und belegt Rang 6 der Reichsten dieser Welt, dank seiner einzigartigen, von Sheryl Sandberg gesteuerten Werbeplattform, dank der Hebelwirkung des Internets, und - auch dank deinen persönlichen Daten, die du Facebook bereitwillig Tag für Tag anvertraust(!) Facebook bringt es fertig, echte Persönlichkeitsprofile überprüfbar zu vernetzen, und es stellt ein immer perfekteres Instrumentarium zur Verfügung, um die Privatheit zu skalieren und auf abgestufte Freundeskreise zu trimmen. Zucks Social Graph ist mit Abstand der grösste überhaupt.

Kürzlich ermittelt die deutsche Justiz gegen Mark Zuckerberg und seine Führungsriege. Der Kläger wirft ihm vor, Mordaufrufe, Gewaltandrohungen, Holocaustleugnung und andere Delikte zu dulden und sich damit der Beihilfe zur Volksverhetzung schuldig zu machen. Der Kläger führte zahlreiche Beispiele von Facebook-Posts entsprechenden Inhalts an, die Facebook eben nicht umgehend entfernte. Umgekehrt beklagen Aktivistinnen die Entfernung von Bildern der entblössten weiblichen Brust aus Gruppen, die sich für das Stillen stark machten. Im Zusammenhang mit der US-Wahl wurde ihm vorgeworfen, durch gefälschte Nachrichten das Wahlresultat beeinflusst zu haben. Sind Facebooks Algorithmen auf einem Auge blind? Lassen wir den Gutmensch Zuckerberg dazu selber zu Wort kommen: Auf www.facebook.com/zuck äusserte er sich dazu am 12. November mit einem ungewöhnlich ausführlichen Text (hier übersetzt, gekürzt und interpretiert): “Unser Ziel ist es, jeder Person eine Stimme zu geben. Wir glauben zutiefst an die Menschen. Wir möchten die Welt offener und vernetzter machen. Wir glauben, dass Menschen verstehen, was in ihrem Leben wichtig ist. Und dass Sie dies ausdrücken können, ist gut für die Gemeinschaft und die Demokratie. Allerdings sagen sie manchmal Dinge oder unterstützen Leute, die anderen missfallen. Wir wissen, dass 99% aller Nachrichten auf Facebook authentisch sind. Eigentliche politische Falschmeldungen sind noch seltener und können deshalb das Wahlresultat nicht verfälscht haben. Wir haben im Gegenteil Millionen ermöglicht, sich überhaupt eine Meinung zu bilden. Sie wären ohne Facebook gar nicht zur Urne gegangen. Dennoch bin ich mir der Verantwortung sehr bewusst, und wir arbeiten an neuen Algorithmen, den Newsfeed von Falschmeldungen, Betrug und illegalen Inhalten frei zu halten. Die Ermittlung der “Wahrheit” ist allerdings kompliziert und wir müssen sehr vorsichtig zu Werke gehen. Es ist nicht immer so, dass Tatsachen, die von vielen gelikt werden, richtig sind. Manchmal ist einen Mainstream-Idee zwar richtig, aber es werden wichtige Details verfälscht oder weggelassen. Wir müssen uns immer hinterfragen, ob wir selber in der Wahrheit sind, damit wir keine unbeabsichtigte Nebenwirkungen oder Verzerrungen in das System bringen. Es ist wichtig, die Menschen, die auf der anderen Seite stehen, zu verstehen. Nach meiner Erfahrung sind die meisten Menschen gut. Auch wenn es manchmal nicht so aussieht, wird dieser Standpunkt langfristig zu den besten Verhältnissen führen.” - Betrieb Gutenberg, als er die Bücher verbreitet, Volksverhetzung, nur weil einige Autoren zum Bösen verführen?

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Quelle u.a.: David Kirkpatrick: Der Facebook-Effekt. Hinter den Kulissen des Internet-Giganten. Übersetzt von Karsten Petersen, Verlag Hanser, 2011, 402 Seiten, ISBN 9783446425224

Donnerstag, 18. August 2016

Jeff Bezos

Bild von Jeff_Bezos'_iconic_laugh.jpg: Steve Jurvets on derivative work: King of Hearts - Diese Datei wurde von diesem Werk abgeleitet. Jeff Bezos' iconic laugh.jpg:, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27644294

Als Jeffs Online-Versandgeschäft 1994 rasch wuchs, musste der 30-jährige Quant noch einen Namen finden: Amazon sollte sein neuer Laden heissen, mit dem er aus dem Sekundenhandel angeödet ausstieg. Der Amazonas führt mehr Wasser als die sieben nächstkleineren Flüsse zusammen. Dieser Name wurde zur selbsterfüllenden Prophezeiung, denn Amazon in Seattle wurde das weltweit grösste Versandportal. Eine Handvoll der nächst kleineren Versandhäuser können ihm - zusammengerechnet - nicht einmal das Wasser reichen. Das Psychogramm dieses Mannes ist ganz ähnlich demjenigen von Elon Musk: Von seiner Geschäftsvision und einem unerschütterlichen Optimismus beseelt, arbeitete er hart und lieferte Verbesserungsideen am laufenden Band. “Get big fast” war von der Gründung 1994 bis zur Internetblase 2001 sein Motto, das er von seiner mit besten Köpfen bestückten Entourage eisern abverlangte. Nichts konnte ihn mehr zur Weissglut bringen, als die zaghafte Forderung nach “work-live-balance”. Amazon wurde zunächst als Bücherdistributor gross. Für die Führungsriege war es Pflicht, sich am Samstagvormittag in Jeffs Literaturclub weiterzubilden. Klagen seiner Finanzchefs über ruinöse Kennzahlen quittierte er mit legendärem Lachen. Jahrelang verteidigte er seine Geschäftsvisionen gegen die Unkenrufe der Finanzanalysten, so dass er stets Geldgeber fand, die ihm vertrauten. Diese Standhaften wurden belohnt! Heute ist Amazon mit über 100 Milliarden Umsatz und mit einer Viertelmillion Mitarbeiter in 300 so genannten Erfüllungszentren das ultimative Versandhaus, vom Fahrradreifen zum Weltraumflug, mit den besten Vergleichsmöglichkeiten, Lieferservices und Preisen. Ähnlich wie Musk betreibt Jeff seine Firma Blue Origin, die ebenso Trägerraketen vertikal gelandet und wiederverwendet hat. Doch nicht der Warenfluss allein machte Bezos zum mächtigsten Allesverkäufer, sondern die dafür nötigen Datacenter, die heute den grössten und stabilsten Gewinn für Amazon abwerfen. Big Data ist Amazons Fundament, ohne das gar nichts mehr funktioniert.
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Hauptquelle: Brad Stone: Der Allesverkäufer. Jeff Bezos und das Imperium von Amazon.

Dienstag, 19. Januar 2016

Elon Musk


Elon Musk 2015

Während die Unternehmer-Ikone Steve Jobs durch die Kinosäle flimmert, ist der 44-jährige Weltveränderer Elon Musk erst im Kommen. Sein Vermögen wird auf 13 Milliarden USD geschätzt. Der robuste Mann hat es selbst erworben durch Genialität, äusserste Risikofreude verbunden mit stahlharter Willenskraft und unsäglicher Leidensfähigkeit, als wiederholt alles zu scheitern drohte. Wie Jobs verlangte er von sich und seinen Mitarbeitern alles ab. Er ist ein getriebener Marsianer, beseelt von der Vision, eines nicht allzu fernen Tages auf dem roten Planeten mit 80’000 Siedlern eine Kolonie zu gründen, zur Rettung der Menschheit, falls die Erde im Klimawandel unbewohnbar würde. Die Bücher dazu hat er schon als Kind in Südafrika verschlungen. Als Zwölfjähriger schrieb er erste Computerprogramme. Seither arbeitet er zielbewusst an der Umsetzung, mit wachsendem Erfolg, 1995 als Besitzer eines Internetverzeichnisdienstes, den er gewinnbringend verkaufte, später mit dem Online-Bezahlsystem Paypal, das ihm einen Geldsegen von 200 Millionen einbrachte, als es von eBay übernommen wurde.

An Weihnachten 2015 wurden wir Zeugen eines beispiellosen Etappenziels: Seine 9-flammige Trägerrakete Falcon 9 kehrte, nachdem sie 11 Satelliten in Umlaufbahnen abgesetzt hatte, zurück und setzte sanft auf ihrem Startplatz in Cape Canaveral auf. Es war wie wenn der Film des Starts rückwärts abspult, doch diesmal war es real! Der Wiederverwendbarkeit der 400 Tonnen schweren Rakete steht nun nichts mehr im Weg. Es geht Musk darum, mit seiner Weltraum-Firma SpaceX die Kosten zu drücken. Durch konsequenten Eigenbau der Triebwerke, der Raketenhülle und nicht zuletzt der Computerelektronik für den Transfer von Satelliten in die Erdumlaufbahn senkte der verspottete Entrepreneur den Preis auf ein Drittel oder Viertel im Vergleich zur etablierten amerikanischen, russischen, chinesischen und europäischen Konkurrenz. Die Wiederverwendbarkeit der Raketen wird den Preis weiter drastisch ermässigen. Für 2017 sind Personentransporte zur ständigen Raumstation ISS geplant. Dafür wird die wiederverwendbaren Raumkapsel Dragon mit sieben Sesseln feudal eingerichtet. Ferner plant Elon Musk mit einer 27-flammigen Rakete Falcon Heavy Menschengruppen, wie sie auf der Erde in einem grossen Bus reisen, auf den Mars fliegen zu lassen. Der Jungfernflug der Heavy ist im Oktober 2016 gebucht, freilich vorerst “nur” für geoorbitale Satelliten-Nutzlast und noch nicht in einer Fluchtbahn zum Mars. Jedoch wurden durch SpaceX die Raumfahrtambitionen der USA und ihre trägen Zudiener definitiv aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt.

Mit seinen Ideen, seiner Tatkraft und seinem Geld weckte Elon Musk zwei andere Industriezweige, die US-Autoindustrie und die Solarindustrie, aus ihrer Lethargie. Gleichzeitig mit SpaceX (Los Angeles) gründete er im Silicon Valley den Autohersteller Tesla. Eine Autobranche, die noch immer auf fossilen Treibstoff setzt und nicht auf Elektroantrieb umstellen will, ist in Musks Augen frevlerisch. 2008 brachte er unter der Marke Tesla Roadster den ersten vollelektrischen Seriensportwagen heraus. Es war die Zeit, als die US-Autobranche und die Finanzmärkte einbrachen. Trotzdem wurden bis 2012 2500 Roadster verkauft. Nun lief die Oberklassenlimousine Tesla Model S vom Band, die man auch in Kilchberg immer häufiger sieht. Musk wollte gleichzeitig eine grosse Reichweite, modernste Navigationshilfen und Fahrassistenten, eine maximale Beschleunigungsfähigkeit, dazu Komfort, was mit einem geräuschvollen Benzin-Hilfsmotor nicht zu erreichen ist. Nach Apples Vorbild entstanden weltweit Tesla-Verkaufsläden, worin der Tesla S zum Preis ab etwa 70’000 Dollar verkauft wird. Das ist nicht übertrieben hoch, sind doch die Sprit-(Solarstrom) und Servicekosten gleich Null. Im Vergleich zu den tausend Teilen in einem Benzinmotor besteht der Motor des Tesla aus nur 3 beweglichen Teilen und ist ohne Getriebe direkt mit den Rädern verbunden. Musk überzog die USA mit 2500 Schnell-Ladestationen, die den Strom ausschliesslich aus Sonnenzellen beziehen. Teslas laden ihre Batterien dort gratis. Auch in der Schweiz gibt es bereits 11 Supercharger-Stationen mit je 6 Ladeplätzen. Möglich machte das die Firma Solar-City, Elon Musks dritte Firma, die er mit seinen Cousins, den Gebrüdern Rive, betreibt. Solar-City ist eines der grössten und erfolgreichsten Cleantech-Unternehmen in den USA. In etwa 30 Minuten kann die Batterie im Tesla S aufgeladen werden mit Energie, die für 400 oder mehr Kilometer reicht. Noch schneller geht es mit einem Batterietausch, wofür am Wagenboden eine Vorrichtung eingebaut ist. Musk ist nun der grösste Verbraucher von Lithium-Ionen-Batterien und wird in diesem Jahr eine Megafabrik in der Wüste Nevadas in Betrieb nehmen, um auch die Tesla-Batteriepacks selber zu bauen. Panasonic liefert die Zellen-Technologie und ist an der Fabrik beteiligt. Vorausschauend erwartet man eine gigantische Nachfrage nach den Tesla Hightech-Akkus, denn es soll bald das Tesla Modell 3 auf den Markt kommen, zum Preis von nur 35‘000 Dollar, der eine hohe Stückzahl verspricht. Teslas Batterien werden auch massenhaft in Gebäuden eingebaut, um die Verbrauchs-Tagesschwankungen und die variable Sonneneinstrahlung auszugleichen. Selbstverständlich tendiert Musk auf komplette Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz, was in Neubauten bereits jetzt machbar ist. Als nächstes wird das SUV Tesla Modell X in unseren Strassen Aufsehen erregen. Es besitzt nämlich Flügeltüren, die nach oben aufklappen. Es bietet mit sieben vorwärts gerichteten, teils drehbaren Sitzen maximalen Spass, Komfort und praktischen Nutzen, insbesondere für Familien. 2014 wurden gut 50’000 Teslas abgesetzt. Tesla fordert damit Mercedes und BMW im Oberklassensegment heraus, mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Deutschen kein wirklich zukunftsweisendes Antriebskonzept vorweisen können. Es wird deshalb interessant sein, zu beobachten, wie die benachbarte Autonation dieses Manko ausgleichen wird. Schon jetzt haben die Europäer rein elektrische Modelle in der Palette, die aber alle mit Tesla nicht mithalten können, insbesondere bei der Reichweite der Batterien. Möglich dass hier und dort Tesla-Batterien eingebaut werden, womit das kostbarste Stück im europäischen Auto dann von Tesla wäre. Elon Musk hat übrigens die vielen Patente aus seiner Fahrzeugentwicklung freigegeben, in der Absicht, damit eine Grundwelle des Umdenkens in der Branche auszulösen und die Aufholjagd abzukürzen. Dazu sagte Musk: “Wenn die Offenlegung der Tesla-Patente bedeutet, dass andere Unternehmen leichter Elektroautos bauen können, dann ist das gut für die Menschheit.”

Die schwere Zeit im Jahr 2008 – Space X und Tesla hatten enorme technische Probleme und standen vor dem Konkurs – sagt viel über Musks Charakter aus. Man begegnet einem Mann, der mit nichts in die USA gekommen war, ein Kind verloren hatte, in der Presse von Journalisten und seiner Exfrau verspottet wurde und beinahe sein Lebenswerk scheitern gesehen hätte. Er konnte härter arbeiten und mehr Stress aushalten als jeder andere. Er aber hat nicht einfach nur überlebt. Er hat immer weiter gearbeitet und zwar hoch konzentriert. Seine Fähigkeit zur Konzentration mitten in der Krise ist tatsächlich einer der wichtigsten Ressourcen von Musk. Die meisten Führungskräfte, die unter solchen Druck geraten, bekommen Angst, sie  treffen dann falsche Entscheidungen. Elon dagegen wird hyperrational und kann weiterhin sehr klare, langfristige Entscheidungen treffen. Je schwieriger es wird, desto besser wird er. Jeder, der aus erster Hand gesehen hatte, was er durchmachen musste, hatte hinterher mehr Respekt für ihn. Menschen, die so viele Schmerzen aushalten, sind rar. Dennoch ist es derzeit schwierig, die Person Elon Musk zu würdigen. Seine Vision einer interplanetaren Gesellschaft ist noch weit entfernt. Damit würde er die Menschheit inspirieren wie kaum jemand zuvor. Die grossen Entdecker wie Kolumbus und Magellan wären klein dagegen. Musk ist sich dessen durchaus bewusst, wenn er rhetorisch fragt: “Glauben Sie, dass ich verrückt bin?” Und doch ist er drauf und dran, Personen mit Ausrüstung ins Weltall zu bringen und unversehrt zurückzuholen, zu einem winzigen Bruchteil der Kosten. Was einer halben Million Fachleuten in den 50 US-Staaten in Jahrzehnten nicht gelang, schaffte er mit 3000 Leuten in wenigen Jahren in einer einzigen Fabrik. Doch was würde bestehen bleiben, wenn ihm etwas zustiesse? Er schützt sich nicht, läuft weitgehend ohne Aufpasser herum. Mit Space X, Tesla Motors, Solar-City und der Gigafabrik für Batterien in Nevada wird er für über 20’000 Mitarbeiter verantwortlich sein. Da wird über Klimawandel nicht verhandelt, sondern die überzeugendsten Innovationen gegen Erderwärmung einfach verwirklicht – und der Menschheit gleichzeitig, für alle Fälle, eine Fluchtmöglichkeit verschafft. Sein Beispiel wird Cleantech weltweit befeuern und die Hoffnung, was nachhaltige Technologie für die Menschen Gutes tun kann, wieder aufleben lassen. Er befasst sich viel stärker und vielseitiger mit Details als etwa Steve Jobs oder Bill Gates. Musk kann programmieren und besitzt auch ein umfassenderes Wissen als diese beiden. Er hat immerhin Wirtschaft und Physik studiert und ist sehr belesen. Die Öffentlichkeitsarbeit macht er, leicht stotternd, oft selbst. Seine fünf Söhne, Zwillinge und Drillinge, aus erster Ehe nimmt er auf Geschäftsreisen mit und hofft, dass es sie bildet. Mit seiner zweiten Frau Talulah Riley bespricht er auch technische und geschäftliche Fragen, besonders seit er seine rechte Hand, Mary Beth Brown, eine blitzgescheite und loyale Mathematikerin, kurzerhand entlassen hat. Er kann die besten Leute anheuern und dennoch ein knallharter Patron sein. Privat aber ist er sanft, emotional und sehr beschützerisch. Er ist nicht von Launen getrieben, sondern steckt mit seinen Visionen an. Er verstrickt sich nicht in Details, er arbeitet zielorientiert, und seine Ziele könnten grossartiger nicht sein. Vor kurzem hat Elon Musk sich mit anderen Unternehmern und Wissenschaftlern in der Nonprofit-Gesellschaft „OpenAI“ zusammengetan, um die positiven Aspekte Künstlicher Intelligenz zu erforschen. OpenAI stehen eine Milliarde Dollar Startkapital zur Verfügung. Musk hatte in der Vergangenheit mehrfach vor den Gefahren der Künstlichen Intelligenz gewarnt und sie als die "vermutlich grösste Gefahr für unsere Existenz" bezeichnet. OpenAI hat das Ziel, digitale Intelligenz so zu erweitern, dass die gesamte Menschheit davon profitieren kann. Dies ist das Credo von Elon Musk: Der Menschheit zu dienen
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Literatur:
- Ashlee Vance: Elon Musk: Wie Elon Musk die Welt verändert - Die Biografie. FinanzBuch Verlag, 2015, 368 S.
https://www.ted.com/talks/elon_musk_the_mind_behind_tesla_spacex_solarcity, auch als Hörbuch bei Audible
- Reportage von National Geographic zur Tesla Autofabrik in Fremont, Kalifornien: https://youtu.be/R7OAcdNWF_0
- Ausführlicher neutrale Fahrbericht für Tesla S Stand 2015: https://www.youtube.com/watch?v=OwjofNmr4fM


Montag, 26. Oktober 2015

Steve Jobs



Offensichtlich mögen die Kilchberger Apple-Computer. Jedenfalls kommen sie hier häufiger vor als andernorts. 13% ist der Mac-Anteil im US-Computermarkt. Beim Handy ist gar jedes zweite ein iPhone. Grund genug, in dieser Kolumne den Menschen zu glossieren, der dies ermöglichte. Ein hervorstechendes Charakter-Merkmal von Steve Jobs ist seine Kontrollsucht. Das hat sich auf alle Apple-Produkte ausgewirkt. Der Mac war und ist ein geschlossenes System. Man kann die Gehäuse nicht öffnen, man muss zum Batteriewechsel in den Apple-Shop, alle Apps sind noch heute von Apple zertifiziert. Die Hardware, sogar die Chips und die Betriebssysteme sind von Apple. Nur dies ermögliche, so Jobs, ein jederzeit ungetrübtes Gesamterlebnis. Der Computer als Kunstwerk! Und Jobs der Künstler! Einmal signierte er auf Verlangen eine Apple-Tastatur. Aber er bestand darauf, die Pfeiltasten herauszubrechen, die für ihn ein Gräuel waren. (Die vier Cursortasten wurden hinzugefügt, als er 1986 Apple verlassen musste.) Durch die Elimination der Pfeiltasten sollten User gezwungen werden, die Maus zu benützen, und Apples eigene Ingenieure konnten so keine Programme hineinschmuggeln, die nicht von Apple geschrieben wurden. Selbst die Maus war speziell, sie hatte nur eine Taste.

Steve Jobs war das Kind eines Syrers und einer deutschstämmigen Mutter, die beide in Kalifornien studierten. Nach der Geburt wurden sie gezwungen, das Kind zur Adoption freizugeben, weil das Studium wichtiger war. Das hochintelligente Kind hatte das Glück, optimale Pflegeeltern zu finden, rechtschaffene Leute aus der Arbeiterklasse, die Steve liebten und dem Verlassenen das Gefühl gaben, ein Auserwählter zu sein. Dennoch fand der kleine Steve bald heraus, dass es nicht seine natürlichen Eltern waren. Er wurde deswegen gehänselt, aber so übte er früh, sich zu wehren. Sein Pflegevater war ein begabter Automechaniker, die Mutter half als Buchhalterin mit, das bescheidene Reihenhaus und eine teure Kunst-Highschool zu finanzieren, die Steve Jobs nach 18 Monaten als Drogen konsumierender Hippie abbrach. Er fand bald einen Freund namens Wozniak (Woz), der mit ihm auszog, eine "Delle ins Universum" zu schlagen. Woz war ein Elektronikgenie, sein Vater ein hochrangiger Raketeningenieur in der Rüstungsindustrie, die in den Siebzigerjahren das Silicon Valley dominierte. Einer ihrer Streiche war der Bau der „Bluebox“, eines Apparätchens, das sich mit Tönen über die Sprechmuschel gratis in das öffentliche Telefonnetz einwählen konnte. Jobs Rolle war das Gehäuse bauen und das Löten einer kleine Serie, die er im Nu gewinnbringend verkaufte - bis auf eines: Der Käufer dieser Bluebox entpuppte sich als bewaffneter Krimineller. Das war das Ende ihres illegalen Tuns. Die Tatsache aber, dass sie als Bastler das Bezahlsystem der milliardenschweren AT&T aushebeln könnten, stärkte ihr Selbstbewusstsein kolossal und vertiefte ihre Symbiose, die zum Fundament einer Weltfirma werden sollte, der Apple Inc. in Cupertino, Kalifornien.

Der junge Steve Jobs

Unternehmer fallen nicht vom Himmel - oder vielleicht doch? Jedenfalls hätte keine Business School den Unternehmer Steve Jobs heranbilden können. Der Sohn eines syrischen Vaters und einer Mutter deutscher Abstammung wurde kurz nach Geburt zur Adoption freigegeben, weil deren Eltern, ebenso vermögend wie konservativ, in die Verbindung nicht einwilligten. Die akademische Karriere der beiden 23-jährigen Studenten wurde 1955 als wichtiger eingestuft, als die Brutpflege. Jobs kinderlose Pflegeeltern entstammten der Arbeiterklasse. Für die Entwicklung von Steve waren diese Pflegeeltern ein Glücksfall. Beim Vater, der im Krieg als charakterstarker Maschinist auf einem Truppentransportschiff gedient hatte und danach alte Autos reparierte und wiederverkaufte, lernte er Mechanik und die Grundlagen der Elektronik - und die Kunst des Feilschen. Von der kinderlosen Mutter, einer eingewanderten Armenierin, wurde der "Auserwählte" zärtlich geliebt. Als Buchhalterin wusste sie mit Geld sorgsam umzugehen, so dass die junge Familie in ein Reihehaus in einem ärmlichen Vorort im Silicon Valley ziehen konnten. Jobs wuchs in einer äußerst interessanten Gegend auf, wo die amerikanische Rüstungsindustrie die Fruchtfelder verdrängte und einen unersättlichen Bedarf für Ingenieure entwickelte. Dazu kontrastierte die dort aufbrechende Gegenkultur der Drogenapostel und Hippies. Steve war ein eigensinniges und sehr intelligentes Kind, das alle Eindrücke aufsaugte und verinnerlichte wie ein Schwamm. Von der Schule unterfordert, ersann Steve Aufsehen erregende Basteleien und immer extremere Streiche. So wurde er schon früh ein Rädelsführer und Ideenlieferant. Gleichzeitig beobachtete er, mit welchen Tricks die Gurus das junge Volk verführten. Er lernte sein Gegenüber schweigend anzustarren, um es im passenden Moment mit einem Redeschwall zu manipulieren und seinem Willen zu unterwerfen. Auf der Suche nach Spiritualität entdeckte er nebst LSD den Zen-Buddhismus, der ihn sein Leben lang beseelte. Angeboren war sein Sinn für Ästhetik. Er wählte trotz elterlichem Protest ein teures kunstorientiertes College. Doch er verbrachte dort nur wenige Monate, da er zu faul war, Testate beizubringen. Indessen beeindruckte ihn ein Kurs für Kalligraphie, was später wichtige Folgen bei der Gestaltung der Schriftsätze in den Apple-Computern haben sollte. Und dies war auch fast das Ende seiner Schulbildung, abgesehen von sporadischen Vorlesungen in Physik und Maschinenbau in Stanford, phasenweise alternierend mit meditativen Trips und streng veganer Ernährung. Sein Äußeres war ungepflegt, die Haare lang. Als barfüßiger, Pflanzen essender Jünger glaubte er, sich nicht waschen zu müssen. Sein Körpergeruch stiess viele ab, was ihn nicht zu stören schien. Seine Mutter machte sich Sorgen, weil er vorgab, nur noch Blätter zu essen, die von Jungfrauen im Mondlicht gepflückt worden waren. Überhaupt setzte er sich über die Befindlichkeit seiner Umgebung meist rücksichtslos hinweg. Er kultivierte einen sozusagen binären Charakter, in dem er lauthals zur Schnecke machte, was ihm nicht passte, was er aber gut hieß, lobte und pries er überschwänglich. Dieser Wesenszug machte ihn später zum gefürchteten Patron, der sich auch in den schwierigsten Situationen durchzusetzen vermochte. Und dies kam so:

Einer der Gefährten des jungen Jobs war Stephen Wozniak, ein introvertierter Berkeley-Abgänger, in mancher Hinsicht das Gegenteil von Jobs. Wozniak war ein begnadeter Elekroniker, was Jobs begeisterte. Die beiden interessierten sich nebst LSD für einen Artikel in einem Fachblatt, der aufzeigte, wie man sich mit Tonfolgen ins öffentliche Telefonnetz von AT&T einwählen und Ferngespräche kostenlos ausführen könnte. Dass der Artikel umgehend aus der Bibliothek verschwand, machte die Sicherheitslücke noch interessanter. Die beiden gingen in die Bibliothek des Standford Linear Accelerator Centers und fanden tatsächlich noch ein Exemplar. Jobs konzipierte das Gehäuse und Wozniak die Platine der Bluebox, wie Sie es nannten, einem Wählgerät, das kostenlose Telefongespräche ermöglichte. Sie gaben sich als Kissinger aus und wählten die Nummer des Papstes, und anderes mehr. Sie waren hingerissen, dass sie mit ihrer Bastelei tatsächlich den milliardenschweren Fernmeldegiganten überlisten konnten. Jobs schlug vor, das Gerät in Stückzahlen zu verkaufen, und er trieb das Geld auf, um die Komponenten zu kaufen. So machten sie ihr erstes Geschäft, dessen Gewinn sie teilten. Es ging nicht lange, bis ein Krimineller als Kunde auftrat, der sie mit der Pistole bedrohte. Das war zu ihrem Glück, denn so stoppten Sie die illegale Produktion und wurden nicht erwischt.

Wozniak arbeitete bei HP, wo er den ersten Pocket Calculator für höhere Funktionen entwickelte. Jobs hatte bei Atari angeheuert, wo er Nachtschichten schob, weil das Atari-Team ihn nicht ertrug. Es war die Zeit der aufkommenden Mikroprozessoren. Ingenieure, die oft in der Hippie-Gegenkultur lebten, erfanden verschiedenste Heimcomputer, oft nur als nackte Leiterplatten mit einer Tastatur, aus Protest zur Kultur der Großrechner der Rüstungskonzerne, die sie als Symbole der Unterdrückung verstanden. Die beiden Ausgeflippten trafen sich an Veranstaltungen des Computer Clubs, die sich zu Brutstätten zahlreicher Startups entwickelten. So entstand 1975 der Apple I als gemeinsames Werk von Jobs und Wozniak. Jobs oblag die Konzeption, das Design, die Organisation der Ressourcen und Wozniak kümmerte sich in der Freizeit um die Schaltungsentwicklung, die Platinen und die Programme. Jeder brauchte den anderen in einer perfekten Zusammenarbeit. In den Clubs der Gegenkultur entstand das Ethos von Open Source, des freien Teilens aller Errungenschaften. Woz, der geniale Ingenieur, wollte seine Entwürfe mit anderen unentgeltlich teilen. Doch als immer mehr Geld ins Spiel kam und ein riesiger Markt sich abzeichnete, entbrannte ein Streit um das Verwertungsrecht dieser Erfindungen. Vor allem Bill Gates wandte sich klar gegen Unsitte des unentgeltlichen Kopierens, und Steve Jobs schloss sich seiner Meinung an. Schließlich ließ sich Wozniak umstimmen, vor allem als Jobs eine gemeinsam Firma vorschlug, mit der sie großartige Produkte hervorbrächten. Der scheue Woz, dem jedes kaufmännische Talent abging, spürte, dass er Steve brauchte, um eine eigene Firma zu gründen. Schließlich gab das Desinteresse seines Arbeitgebers HP an seinen Computerentwicklungen den Ausschlag, dass er bei HP kündigte, um mit Steve Jobs die Firma Apple zu gründen. Dabei war das Durchsetzungsvermögen von Jobs entscheidend für einen fulminanten Start. Die beiden verkauften, was sie besaßen, um etwas Eigenkapital für den Apple I Prototypen zu bilden.

Mit der Begeisterung und dem Stolz  junger Eltern stellten sie ihr Kind im Computerclub vor. Unter den Zuhörern befand sich der Besitzer eines Computerladens, der im ganzen Land Filialen eröffnen wollte. Er bestellte die ersten 50 Apple I und zwar innert eines Monats, voll integriert mit Gehäuse und Netzteil. Jobs machte sich sofort auf die Kreditsuche für die Finanzierung, was für den verlotterten, barfüssigen Typen eine riesige Herausforderung war, die er allerdings meisterte. Innert 30 Tagen entstanden in der Garage von Jobs Pflegeeltern die ersten 50 Apple Computer, auch mit der tatkräftigen Hilfe von Eltern und Freunden. Fast nebenbei integrierten sie das erste Schaltnetzteil, das dank hochfrequenter Taktung in einem viel kleineren Volumen dasselbe leistete wie die üblichen schweren 60Hz-Trafos. Es ging es rasch aufwärts, mit zusätzlichen Mitarbeitern und Räumlichkeiten. Im Frühjahr 1977 präsentierten sie den Apple II auf der West Coast Computer Fair, der damals größten Computer-Messe. Das in wenigen Teilen gefertigte Kunststoffgehäuse eroberte die Herzen aller Besucher – vorbei war die Zeit der kantigen Metallgehäuse, der Schrauben oder Holzschachteln. Während der Messe wurden über 300 Computer bestellt, und Apple bot einen damals einmaligen Service an: das vergünstigte Umsteigen vom Apple I auf den Apple II. Bis Ende 1977 waren rund 4000 Apple II verkauft. Doch der Durchbruch war noch nicht geschafft.

Weihnachten 1977 gelang Wozniak ein weiterer Schachzug: er baute einen Floppycontroller für den Apple II, der den Anschluß eines Diskettenlaufwerks gestattete. Auf der folgenden Consumer Electronics Show ermöglichte das Diskettenlaufwerk die Entwicklung einiger berühmter Programme, die das Schicksal von Apple mitbestimmen sollten. Programmnamen wie VisiCalc (die erste Tabellenkalkulation – der Benutzer konnte Zahlenkolonnen mit Regeln verbinden und so durch Änderung einiger Parameter große Kalkulationen auf einfache Weise durchrechnen) oder AppleWriter (eine Textverarbeitung) sind heute noch ein Begriff. Der Apple II war der erste PC, auf dem solche Programme mit Diskettenlaufwerke zur Verfügung standen. Vor allem VisiCalc machten den Personal Computer zum ersten Mal außerhalb des Hobby-Bereichs bekannt.

Von 1977 bis 1980 stieg die Anzahl verkaufter Apple II auf rund 50'000 und mit ihr die Mitarbeiterzahl von 50 auf weit über 1000. 1979 wagte die Firma, nun in einem stattlichen Firmensitz in Cupertino, als erstes Start-Up-Unternehmen im Silicon Valley den Schritt an die Börse. Zahlreiche Mitarbeiter wurden über Nacht zu Multimillionären. Den Gründern stieg der plötzliche Reichtum nicht in den Kopf, das viele Geld war ein Grund zu weiteren Investitionen. Insbesondere Jobs wollte in seinem Leben eine "Delle ins Universum schlagen", wie er sich ausdrückte. Doch auch die Konkurrenz schlief nicht, und es gab bei der Frage der Weiterentwicklung der Computermodelle Richtungskämpfe. Jobs war bei Apple nicht mehr der allein Tonangebende, und ein Teil des Boards wandte sich immer deutlicher gegen die unkollegialen Machenschaften des Gründers. Weil er seinen Leuten immer rücksichtsloser auf die Füße trat und es verstand, die Realität zum Wohle des der Firma zu beugen (Reality Distortion Field), weckte er in den Ingenieure fast übermenschliche Kräfte und brachte sie ständig ans Limit. Unter seiner Fuchtel entstand der Macintosh PC, der im 1984 rund eine Milliarde einbrachte. Doch der hatte Mängel, war insbesondere leistungsschwach. Dass Jobs den Chefentwickler Wozniak vom vernachlässigten Apple II Team, das der Hauptumsatzträger war, ins Mac Team holte, als der Mac-Verkauf einbrach, und dass er weitere Projekte (Apple III und Lisa) torpedierte, brachte das Fass zum überlaufen. Jobs wurde vom Board abgesetzt und musste die Firma verlassen. Von da an ging es mit Apple bald bergab. Ihr fehlte nun das Gravitationszentrum, das Steve Jobs wie kein zweiter verkörperte.

Jobs macht Trickfilme und wird noch reicher

Mit dem Reichtum, den er besaß, fand er bald einen Ersatz, um seinen ambitionierten Computervisionen zu frönen. Er gründete den Workstation-Hersteller NeXT und baute einen High-end-Arbeitsplatzrechner auf UNIX-Basis mit dem 68030/40 Prozessur für Forschungseinrichtungen und ähnlich Kunden, die eine maximale Computerleistung und Grafikfähigkeit brauchten. Die Stückzahlen blieben weit unter den Erwartungen. Doch mit dem Betriebssystem NeXTStep wurde von Tim Berner Lee am CERN das Internet erfunden und es wurde die Basis für das spätere Apple OS-X. Auf das visuelle Desing wurde großes Gewicht gelegt. Der NeXTCube wurde an führenden Museen für Modern Art ausgestellt. Es dauerte rund 10 Jahre, bis Apple ohne Jobs fast pleiteging. Eine Technologiefirma mit 50000 Mitarbeitern muss sich ständig neu erfinden, was ohne Jobs nicht geschah. Stattdessen verstrickte sich Apple Inc. in immer mehr Projekte, die nichts eintrugen. Man besann sich auf bessere Tage und versuchte Jobs ins Board zurück zu holen. Dieser war indessen erfüllt von der Trickfilmbranche, die seinem künstlerischen Perfektionismus voll entsprach. Mit PIXAR machte er Disney Konkurrenz und lancierte durch John Lasseter einen Blockbuster nach dem anderen. Als er die Zahlen von Apple und das Ende kommen sah (Apple stand etwas 2 Monate vor dem Konkurs), erbarmte ihn, und er kehrte als Sanierer ins Board zurück. Dabei kam seine zweite Haupteigenschaft, Fokussierung, voll zustatten und er schaffte den Turnaround mit dem iPod, der die ganze Musikbranche aufmischte, und das kam so:

Steve Jobs war 42 Jahre alt, ein äusserst erfolgreicher Firmengründer nun von NeXT und Pixar, als er nach über zehn Jahren zu Apple zurückgerufen wurde. Man traute dem Quicklebendigen zu, dort das Steuer nochmals herumzuwerfen, um die havarierte und vom Untergang bedrohte Riesenfirma zu retten. Doch war Jobs auch ein genialer Sanierer, dem dies gelingen konnte? Er hatte sich bei Pixar Animation Studios viele Freunde gemacht, die ihn nicht gern ziehen liessen. Darunter waren Top-Künstler, wie John Lasseter, der als Regisseur der erfolgreichsten Animationfilme zeichnete, wie Toy Story, um ein Beispiel zu erwähnen. Jobs selbst war im Innersten ein Künstler, und er blühte im kleinen Kreis der begabtesten Trickfilmemacher auf, denen er mit seinen NeXT-Hochleistungsrechnern überdies das ideale Werkzeug zu Verfügung stellen konnte. Mit der Vereinigung von Kunst und Technologie erreichte Jobs, der Nichtakademiker, die wohl erfülltesten und ungetrübtesten Jahre seines Schaffens. Spielend lenkte er die beiden Firmen als inspirierender Patron und konnte Erfolge über Erfolge feiern. Kein Wunder, dass er sich zierte und von Apple dreimal bitten liess, zurückzukehren. Emotional war Apple immer noch „seine“ Firma. Kein Gründer lässt es kalt, wenn seine Riesenfirma, nach Jahren grosser Erfolge, wegen Führungsschwäche auf Grund läuft. Auch sein Nimbus würde in den Schmutz gezogen, wenn er dem Konkurs der Apple Inc. tatenlos zugesehen hätte. „Halb zog sie ihn, halb sank er hin...“, doch nur kurz wurde er zum unsichtbaren Sanierer, der sich zunächst um Tausend Problemfälle kümmerte, Ballast abwarf, Lücken stopfte, den richtigen Ingenieuren an den falschen Plätzen buchstäblich den Stecker zog, um sie für neue Projekte einzuspannen. Für die Entlassungswelle kam ihm seine legendäre Rücksichtslosigkeit sehr zustatten. Es galt indessen, die Firma neu zu erfinden, dazu brauchte er eine Vision und zu deren Umsetzung  eine gnadenlose Fokussierung. Niemand anderem wäre es eingefallen, Apple Inc. durch ein winziges Apparätchen, den iPod, zu sanieren, in welchem sozusagen alles komprimiert vorlag, was Jobs bisher erreicht hatte in der Vereinigung von Kunst und Technologie. Alles auf diese eine Karte zu setzen mit der geballten Kraft der Grossfirma, das war der Geniestreich des Sanierers, und er gelang!

Wie weiland SONY mit ihrem Walkman die halbe Musikerwelt unter Vertrag nehmen konnte, gelang es nun Jobs persönlich in unzähligen selbst geführten Telefonaten und Einladungen die Musiker der Welt vertraglich an Apple zu binden, deren iPod und das zugehörige Apple-Portal iTunes die Songs rasch über den Erdball verbreiten würde. Seine Begeisterung für den iPod-Player übertrug sich auf die besten Musiker. Das Ziel Tausende Songs in der Hosentasche leicht herumtragen und am Mac verwalten zu können, und durch exzellente Tonqualität die illegalen Downloads zu unterbinden, wurde weitgehend erreicht. Jobs der als Hippie von Bob Dylan hingerissen war und sich vorübergehend mit Joan Baez liierte, verwandelte sich in jener Zeit zu einer Marketing-Legende für beinahe die ganze Welt der U- und E-Musik, zum Leidwesen der Verwertungsgesellschaften, die an der CD noch lange festhielten.

Als Jobs am 23. Oktober 2001 den iPod lancierte, erlebte die Welt erstmals, wie der Zauberer von Cupertino ein neues Produkt spektakulär in Szene setzte und alle Gläubigen hingerissen applaudierten. Solche Auftritte waren eigentliche Massen-Motivationsveranstaltungen, deren Drehbuch Jobs meisterhaft beherrschte. Die Aktionäre waren beruhigt, Apple war gerettet, Jobs war wieder der unangefochtene Leader tausender hochqualifizierter Ingenieure. Da sich das  iPod ohne eigenen Internet-Anschluss auf den MAC stützen musste, zogen auch die Absatzzahlen des MACS wieder an.

Wie Jobs eine „Delle ins Universum“ schlug

Mit Jobs zweitem Eintritt in die Apple-Führung wurde auch gleich seine Firma NeXT mitgekauft. Diese Computer wurden zur Grundlage der heutigen Generation von iMACs. Jobs Betriebssytem NeXTStep mutierte zum OS X. Sie bilden das konventionelle Rückgrat des Apple Computerherstellers. Die „Delle im Universum“ verkörperten sie jedoch nicht. Jobs schlug seine Delle mit den einzigartigen Apparätchen, die aus dem iPod hervorgingen. Man tüftelte um 2004 an einer Verschmelzung von iPod und Funktelefon. Das Wählrad des iPod eignete sich als Wählscheibe für Nummerneingabe allerdings schlecht. Der Touchscreen bot sich an. „Das war der komplizierteste Spass, den ich je hatte“, sagte Jobs, als er ein halbes Jahr mit grosser Leidenschaft am neuen Mensch/Maschinen-Interface arbeitete. Den Eingabestift und die Hardwaretastatur gewisser Vorbilder lehnte er rundweg ab. Dafür perfektionierte er die Gesten, mit den blossen Fingern sollte man das künftige Funktelefon bedienen können. An dieser Stelle wurde von Jobs und seiner Apple Inc. Pionierarbeit geleistet, die man gar nicht bedeutsam genug einschätzen kann. Dies war die „Delle im Universum“, die Jobs zeitlebens anstrebte. Es entstand das iPhone und mit ihm eine Kaskade von Nachahmerprodukten in Form von internetfähigen Smartphones, die alles können: Navigation, Kartografie, Routen planen, Fotografie, Film, TV, Zeitungen, Radio, Börseninfos, Diktiergerät, auch Speech-to-Text, Übersetzer, Fahrpläne, Webshops, Mail, Chat, Bildtelefon, Agenda, Uhr, Lesebücher, Hörbücher, Musikplayer, googeln, jedwede Officefuntionen, Scanner, soziale Vernetzung, Bodytracking, KI-Beratung, Seelsorger, Spielpartner, und vieles mehr. Diese Entwicklung verändert die Welt wie nichts Vergleichbares zuvor, kein Stein wird auf dem andern bleiben. Das Handy in der Hand, das Helferlein vor Augen, das Telefon am Ohr, ist, wohin man steht und schauen mag, das sichtbare Zeichen des mentalen Wandels, der nun fast jeden Menschen ergriffen hat. Die Asylanten und Kinder, Frauen und Männer, Arbeiter und Banker, haben es genauso wie Führungspersonen und Senioren. Die Folgen sind noch heute nicht absehbar. Entstanden ist ein Unterhaltungs-, Kommunikations- und Informationsschlaraffenland, und es scheint, dass die Menschen darauf nicht mehr verzichten wollen. Denn diese iPhone-Welt ist ungeheuer lebendig, informativ, intelligent, vielseitig, unterhaltsam und bereichernd. Es setzt deine Sprache in Text um und es spricht mit dir.

Fast nebenbei ist noch das iPad entstanden. An ihm wurde weitgehend durch Jobs die Gestensteuerung entwickelt. Als Zwischending neben iPhone und Notebook (MacBook) soll es auch auf dem Sofa liegend Büroarbeiten ohne Tastatur ermöglichen. In der Tat schreibe ich diesen Text in Liegeposition. Man glaubt es erst, wenn man es eine Weile benützt hat, dass es so ungemein praktisch ist. Bücher und Mails etwa lassen sich bei allen Lichtverhältnissen lesen, bei exzellenter typografischer Qualität. Eingebettete Tesauren, Konkordanzen und Übersetzungswerkzeuge helfen unauffällig, die Texte zu verstehen.

Ob die heute propagierte Apple Uhr eine weitere Delle ins Universum schlägt, bleibt abzuwarten. Jobs kümmert es nicht mehr, er ist am 5. Oktober 2011 an Krebs verstorben, visionär und kreativ wirkte er bis zum letzten Atemzug. Jobs sah es selbst als seine grösste Leistung an, eine unvergleichliche Weltfirma zu hinterlassen, die noch in  Jahrzehnten grossartige Technologie hervorbringen wird. Sein Vorbild war Hewlett Packard, die bis heute ein Fixstern im Silicon Valley ist. 1976 musste Jobs seinen Partner Steve Wozniak überreden, sich vom hochgeschätzten Arbeitgeber HP zu trennen, um in ihre neue gemeinsamen Garagenfirma Apple mit voller Kraft einzusteigen. Nach eigenen Versuchen mit Laserdruckern überliess Jobs das Druckergeschäft vollends HP. Dreissig Jahre später hatte Apple Inc. die Firma HP weit überflügelt. Im Gegensatz zu Bill Gates von Microsoft war für Jobs das Gewinnstreben immer Nebensache, die Hauptsache für Steve Jobs war, revolutionäre, je geradezu beseelte Produkte zu perfektionieren. Dennoch, oder eben deshalb, ist Apple – weit vor Microsoft – heute die wertvollste Firma der Welt.
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Quellen:
- Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers. Von Walter Isaacson, C. Bertelsmann Verlag, 25.10.2011 - 704 Seiten
- Steve Jobs - The Lost Interview.  Film von Paul Sen.
Handlung
1995 arbeitete Bob Cringely an seiner TV-Serie über die Entwicklung des PC. In diesem Rahmen führte er ein denkwürdiges langes Interview mit Steve Jobs. Damals leitete Jobs die Nischen-Computerfirma NeXt, die er nach seiner Trennung von Apple gegründet hatte. Im Gespräch gibt sich Jobs schlagfertig und offenherzig - ein visionärer Pionier auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft, der bereits die digitale Zukunft voraussah, zu der er später entscheidend beigetragen hat.Das komplette Interview galt als verschollen und wurde erst kürzlich in der Garage des Regisseurs wiederentdeckt. Die Produzenten des Films entschlossen sich, dieses Dokument zu restaurieren. Wir erleben Steve Jobs in seiner ganzen charismatischen Bandbreite, wenn er einen Blick in die Zukunft wagt. Eine Zukunft, die unsere Gegenwart ist! HINWEIS: Das komplette Interview galt als verschollen und wurde erst kürzlich auf VHS in der Garage des Regisseurs wiederentdeckt. Die Produzenten des Films entschlossen sich, dieses Dokument zu restaurieren. Sie sehen das bestmögliche Ergebnis, das mit dem zur Verfügung stehenden Materialien zu erzielen war.




Sonntag, 21. Juni 2015

Karl Steinbuch

Karl Steinbuch hielt unzählige Reden und Ansprachen - Bild Wikimedia


Das Informationszeitalter begann mit Claude Shannons mathematischem Informationsbegriff 1948 und endet vorläufig bei Google. Wer über den Strom der Innovationen dieser 70 Jahre eine Brücke baut, kann sie in der Mitte abstützen. Dieser Pfeiler trägt den Namen Karl Steinbuch. Der schwäbische Professor hielt Vorlesungen für "Informatik", wie er sie als erster nannte. Es dauerte 10 Jahre, bis 1970 diese Fachbezeichnung im deutschen Sprachraum allgemein akzeptiert wurde. In den USA benützt man dafür den Begriff "computer science". “Informatics” hat dort eine viel engere Bedeutung; die Etymologie dazu ist im englischen Wikipedia ausgezeichnet erklärt. Auch der erste voll transistorisierte Computer Europas (1959) geht auf Karl Steinbuch zurück. 

Wie schon Norbert Wiener, wurde auch Steinbuch zunehmend zu einem streitbaren Gesellschaftskritiker.[1] Die NZZ schrieb: "Steinbuch betrachtet seine Professur nicht als eine bequeme und sichere Pfründe, die es ihm erlaubt, seine Privathobbies nach Lust und Laune zu betreiben, sondern er fühlt sich verpflichtet, auf drohende Gefahren frühzeitig hinzuweisen und, was noch wichtiger ist, konkrete Handlungsanweisungen zu ihrer Überwindung vorzuschlagen." Damals war die Gefahr groß, dass Deutschland den Anschluss an die Informationsgesellschaft verpasste. Dies zeigte sich schon bei Computervater Zuse, der mit seiner Firma in Deutschland nicht vorankam. Und es zeigt sich noch heute, da die besten deutschen Köpfe auswandern und ihr Fortkommen im Silicon Valley oder in Zürich suchen. Dabei war Deutschland einst das Mekka der Mathematik und Physik. Die braune Ära machte das zunichte. Was nach dem Krieg den Deutschen blieb, war die verklärte Erinnerung an ihre Vorvergangenheit. Steinbuch nannte dies die Hinterwelt. 

Der Fortschritt lahmte und der Zukunftsglaube köchelte in der westdeutschen Gesellschaft auf kleinster Flamme. Deutschland dümpelte im Windschatten der Großmächte, die sich nach dem Sputnikschock 1957 ein technologisches Wettrüsten lieferten. Es war die Zeit der US-Schulreformen, wo die Obstplantagen im Silicon Valley den Rüstungsfirmen weichen mussten, und wo beide Seiten sich anschickten, ihre Weltordnung mit nuklearen Interkontinentalraketen zu verteidigen. Natürlich war ICBM auch ein kybernetisches Megaprojekt, dort entstanden die Vorläufer des Internets. Es ging um Weltherrschaft. Auch Steinbuch äußerte den Gedanken, dass nur eine Weltregierung die Informationsgesellschaft in sozialdemokratische Bahnen lenken könnte. Er fürchtete, dass Deutschland den Anschluss verpasste. In der Tat wurde die mathematisch-informationswissenschaftlich- naturwissenschaftlich-technische (MINT) Schulbildung kleingeschrieben, die Bundesrepublik fiel im europäischen Vergleich auf die letzten Ränge zurück. Es drohte Wohlstandsverlust. Steinuch forderte, die zahlreichen historischen Institute in Einrichtungen für Zukunftsforschung umzuwandeln. In vielen Büchern und Publikationen[2] zeigte er die enge Verbindung vom technischem Fortschritt zum Wohlstand auf. Eindringlich erklärte er den Deutschen, warum Innovation wichtig und Technik nicht böse ist.[3] Damit versuchte er, den Abwärtstrend durch eine rückwärtsgewandte Geisteshaltung zu stoppen. Als Gastprofessor in Stanford erfuhr er aus erster Hand, was zu tun wäre. Er setzte es um und forderte eine Bildungsreform, die bis heute andauert. Die MINT-Fächer sollten ins Zentrum gerückt werden. Und er forderte Wagniskapital, um technische Innovationen Made in Germany durchsetzen zu können. Er gründete dafür eine eigene Stiftung, die noch heute junge Talente unterstützt. - 

Wie wir heute wissen, kämpfte er gegen Windmühlen. Zwar forderte er programmierten Unterricht und Informations-Datenbanken, und man stritt sich, wie denn die Auswahl der Inhalte zu steuern wäre. Der Durchbruch kam aber erst im Jahr 2000 - aus Kalifornien, durch das Suchmaschinen-Prinzip “Page Rank” im Internet. Doch heute dämmert es, dass sich gerade in offenen Netzwerken trotz lauterer Absicht der Gründer globale Monopole bilden, die an Machtfülle alles Bisherige in den Schatten stellen und denen wir fortwährend persönlichste Daten anvertrauen? Also entfaltet unmerklich eine kommerzielle “Weltregierung” ihre Macht und ihren Einfluss übers Smartphone, über das selbstfahrende Auto, über das Internet der Dinge, über die Cloud. Selbstorganisiert entsteht eine künstliche Intelligenz, deren logischer Stringenz, Allwissenheit und Verspieltheit wir uns kaum wieder entziehen möchten, weil sie sich für uns persönlich interessiert. Dringend nötig sind heute wieder Philosophen vom Rang Steinbuchs, die klarsichtig und vernehmbar aufzeigen, wohin das führt und wie wir uns dazu stellen sollten, nicht zuletzt um Wohlstand und Freiheit zu bewahren. Dass Google aus Deutschland Milliarden Euro nach Palo Alto abzweigt, kann nicht ohne Folgen bleiben. Andererseits will Google in Deutschland strategisch investieren, wie es auch in Zürich der Fall ist. Damit wird wohl ein Teil der enormen Wertschöpfung von Google in unseren Ländern bleiben. 

Doch wollen wir diese Art Weltregierung wirklich? Was haben wir dieser Entwicklung kreativ entgegenzusetzen? Allein in Stanford werden 15 Milliarden Dollar Wagniskapital jährlich in Startups investiert.[4] Indirekt schafft die VC-Branche in der Schweiz mit dem Einsatz von vier Milliarden Franken pro Jahr schätzungsweise 30 000 Arbeitsplätze, gut 3 000 davon bei Start-ups und den Rest bei Firmen, die über die VC-Branche im Wachstum finanziert werden.[5] Die VC-Branche ist damit an 200 bis 300 Start-ups beteiligt und an wenigen hundert Unternehmen, die sich in der Wachstumsphase befinden. Die Schweiz wurde damit Weltmeister im Patente anmelden, allerdings wohl kaum im Informatikbereich. Im 10x mächtigeren Deutschland sieht es trotz Karl Steinbuchs Jahrzehnte langen Warnungen auch heute noch düster aus. Zwar werden in Deutschland neuerdings wieder sieben Milliarden Euro in 1300 Firmen investiert,[6] nachdem die Zahl der Unternehmensgründungen in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 40 Prozent gesunken und damit regelrecht eingebrochen war.[7]

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[1] Karl Steinbuch: Falsch programmiert: Über d. Versagen unserer Gesellschaft in d. Gegenwart u. vor d. Zukunft u. was eigentlich geschehen müsste. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1974, 176 S.
[2] Wikipedia listet 17 Bücher von Karl Steinbuch zwischen 1961 bis 1995 auf.
[3] Karl Steinbuch (Hrsg.): Diese verdammte Technik: Tatsachen gegen Demagogie. Mit Beiträgen von Hans-Herrmann Cramer. Frankfurt/Main-Berlin-Wien: Ullstein, 1982, 316 S.
[4] Christoph Keese: Silicon Valley: Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt. Knaus-Verlag: München, 2014, 320 S.