Sonntag, 6. Januar 2019

KI und Wikipedia

Die Teilnehmenden der WikiCon 5.-7.10.2018 in St. Gallen

Wie erschaffen tausend betuchte oder berentete Arbeitslose, Schüler und Studenten freiwillig die fünft meistbesuchte Webseite? Wikipedia ist mit 6000 Zugriffen pro Sekunde das meist gelesene Universallexikon aller Zeiten. Um täglich an Dutzenden Artikeln zu feilen oder neue zu redigieren, brauchst du viel Zeit. Früher haben gut bezahlte Redaktoren die Lexika gemacht. Der unrentable Druck wurde längst eingestellt. Bei jedem Wikipedia-Artikel lädt eine Griffel-Ikone ein, sein Wissen beizutragen, man braucht sich nicht anzumelden. Jeden Monat folgen 100‘000+ dieser Aufforderung. Allerdings gibt es bei Wikipedia keine Redaktion. Ist Chaos vorprogrammiert? 2005 verglich die Zeitschrift Nature die Qualität der Online-Ausgabe der Encyclopedia Britannica mit der englischen Wikipedia. Nature kam zum Ergebnis, dass es bei der Qualität kaum Unterschiede gibt. Wie kann die deutsche Wikipedia zweieinhalb Millionen Artikel in hoher Güte liefern? Wikipedia ist eine Meritokratie. Die Editoren sind zwar alle gleich, wenn sie sich an die Regeln der Plattform halten. Aber sie werden unbarmherzig überwacht durch lauernde Füchse, die Verdienste durch tausende Artikel haben. Du musst dich auf einen eisigen Wind gefasst machen, wenn du dich auf das Text-Eingeben einlässt. Dein Text wird oft nicht freundlich korrigiert, sondern unbarmherzig gestrichen. Zwar kannst du die Streichung zur Diskussion stellen. Aber dann läufst du Gefahr, dass sie dir einen Edit-War unterstellen und dich als Vandalen bezeichnen. Das ist ewig protokolliert und öffentlich einsehbar. Es gibt Filter, die dein Sündenregister auflisten; KI schlägt Alarm, wenn du Mist eintippst. Klar, dass die erfahrenen Admins längere Spiesse haben. Sie liefern sich selber den Streit um den richtigen Satz und stimmen ab. Kurzum, wenn du dich aufs Texten einlässt, darfst du keine Mimose sein. Bist du zu forsch, riskierst du eine Sperrung. Heute wirst du bei der Eingabe von Begriffen bei Google fast immer ganz oben auf Wikipedia verwiesen. Seitens Google ist kein Mensch beteiligt, nur Relevanz beurteilende KI. So kann sich KI mit Arbeitslosen verbinden, um unseren Wissensdurst zu stillen.
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[1] Günter Schuler: Wikipedia inside. Die Online-Enzyklopädie und ihre Community. Unrast-Verlag, Münster 2007, 280 S.
[2] Björn Hoffmann: Wikipedia reloaded. Kritik und Zukunft als Encyclopedia Europeana. Epubli-Verlag, Berlin 2016, 214 S.
[3] Michael Brückner: Die Akte Wikipedia. Falsche Informationen und Propaganda in der Online-Enzyklopädie. Kopp-Verlag, D-72108 Rottenburg 2014, 128 S.
Bild: Martin KraftMJK 29970 Gruppenbild WikiCon2018CC BY-SA 3.0

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