Montag, 16. Dezember 2013

Déjà-vu




Derzeit machen die Körpervermesser von sich reden. Sie joggen in smarten Trikots in den Alleen und auf den Fluren. Ihr Erkennungsmerkmal ist das iPhone am Oberarm. Es zählt die Schritte, misst Blutdruck und Atmung, registriert die geografische Spur und das Höhenprofil. Dem Vernehmen nach werden auch 24-Stunden-Aktogramme erfasst, wie bei Versuchsmäusen in den Drehkäfigen. Und nicht zuletzt interessiert man sich dafür, wie man geschlafen hat. Dazu werden Pulsprofile, Muskeltonus, Hautwiderstand und schnelle Augenbewegungen (REM) für Traumphasen und die Schlaftiefe durch das EEG erfasst. Na so was, meinen die Ewiggestrigen, muss der Mensch denn sein Innerstes zur Schau stellen? (Die Leistungen werden in Foren verglichen und es gibt Ranglisten.) Déjà-vu, liebe Self-Tracker, alles schon da gewesen. Mit einem Kilo Bananen verbrachten wir ganze Nächte an den Kurvenschreibern im Schlaf- und Traumforschungslaboratorium von Professor C.A. Meier[1], dem Nachfolger von C.G. Jung an der ETH. Der Kollege lag derweil schwer verkabelt in der Koje nebenan und träumte süss. Riesige Magnetbänder zeichneten die Daten auf. In den REM-Phasen wurde der Proband geweckt und es wurde notiert, was ihm gerade träumte.[2] Die Computerschränke hiessen PDP-11, vielleicht mögen Altersgenossen sich noch daran erinnern. Die Traumberichte wurden semantisch codiert und statistisch ausgewertet. In Sachen Mind-Tracking könnten die heutigen Body-Tracker noch etwas dazu lernen. Die Rangordnung der Publikationen wurden, statt über Foren, über die Fachpresse ausgehandelt.[3] Was damals Pioniere erforschten, wird jetzt zum Breitensport. Zur Vermessung der Körperfunktionen gesellen sich sammelwütige Firmen, die es auf unser Ego abgesehen haben. So werden wir immer durchsichtiger. Eine breite öffentliche Diskussion dazu hat eingesetzt. Mit unseren berufsbezogenen und sozialen Daten, die es ja im Internet bereits gibt, steht eine umfassende personenspezifische Datenaggregation vor der Tür, wie es selbst Huxley und Orwell nicht erahnten.
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[1] C.A. Meier
[2] Publikation aus Daten des Labors von C.A. Meier
[3] Inhaltsanalyse von Träumen,
Publikation von C.A. Meier et.al.
 

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