Donnerstag, 1. März 2018
Donnerstag, 22. Februar 2018
Dienstag, 23. Januar 2018
Blockchain I
I
Computer verändern die Gesellschaft und unser Verhältnis zum
Geld. Heute mehr denn je, da wir von der Digitalisierung verhext sind. Bitcoin
macht uns stutzig: Ist das überhaupt Geld? Blockchain: Wie funktioniert die
Vertrauenskette eigentlich? Braucht es Banken noch? Warum benötigt
Crypto-Mining sehr viel Energie? Kann man Geld schürfen? Zunehmend können
Konsumenten mit Bitcoin bezahlen. Dessen Wert schwankt nicht nur, er bricht
aus. Das macht ihn für Spekulationen beliebt, für ein Zahlungsmittel aber ist das schlecht. Bitcoin hat aber einen andern Vorteil: Der Zahlungsverkehr wird nicht mehr durch Banken vermittelt.
Man bezahlt mit einer App über das Internet den Geschäftspartner direkt. Das
geht viel schneller und war bis vor Kurzem fast kostenlos. Und es ist trotzdem sicher. Grundlage
von Bitcoin ist die Blockchain (chain engl. = Kette), ein verkettetes chronologisches Protokoll, die Buchhalter kennen es als Journal, das von den vielen Teilnehmern im Internet global à jour gehalten
wird. Es ist von allen Teilnehmern im Peer-to-peer-Netzwerk einsehbar. Die öffentliche globale Kontrolle macht die Vertrauenskette
fälschungssicher. Jeder Teilnehmer besitzt eine Blockchain-Kopie. Eine
raffinierte Verschlüsselungs-Mathematik sorgt dafür, dass es immer nur eine richtige Kette gibt.
Wie bei einer Buchhaltung kann eine Buchung zwischen zwei Teilnehmern, eine
Transaktion, in der Blockchain nicht gelöscht werden. Die Zahlung ist
verschlüsselt und auf „ewig“ notiert. Täglich finden gegen eine halbe Million
Transaktionen statt. Diese werden von den "Mineuren" etwa alle 10 Minuten in einen neuen Block geschrieben. Solche Blöcke sind etwa 1 MB gross. Er umfasst etwa 2500 Transaktionen. Um einen neuen Block an die Blockchain hängen zu können, was dem verbuchen der 2500 Transaktionen entspricht, müssen „Mineure“ neue Blöcke „schürfen“.
Dies ist bei Bitcoin lukrativ. Aber es ist mit einem zunehmenden riesigen Rechenaufwand
verbunden, dessen Energieverbrauch nicht nachhaltig ist. Das Prinzip schützt die Blockchain vor Angriffen, denn Kriminelle können den nötigen Aufwand gar nicht leisten. Sie müssten nämlich die Computer-Leistung des ganzen Netzwerks übertreffen. Die Robustheit der Blockchain ist aber mit einem grossen Problem erkauft: Eine Transaktion
benötigt heute so viel Energie wie ein Einfamilienhaus in einer Woche. Ein wachsender
Anteil des Weltverbrauchs entfällt auf die Bitcoin-Blockchain. Zu Beginn von 2018 sind das 30 TWh/J, das ist etwa
die Hälfte des Stromkonsums der Schweiz. Das ist nicht nachhaltig. Am 1. August 2017 hat sich deshalb neben Bitcoin eine Parallelwährung Bitcoin Cash abgespaltet, die mit einer modifizierten Blockchain funktioniert, die einige Probleme von Bitcoin angeblich beseitigt. Möglich, dass sich durch kommende Technologien
das Nachhaltigkeitsproblem lösen lässt. Die Lösung ist möglicherweise im Blockchain-Prinzip selbst eingebaut, da die Miner im eigenen Interesse ihre Rechnerfarmen optimieren und die Energiekosten klein halten. Diese an Kohlekraftwerken in der Mongolei zu betreiben ist allerdings keine gute Idee. Jedoch werden Miners zur Zeit aus China vertrieben. Die Frage ist, was schneller wächst, der Bedarf
an Rechenleistung der Crypto-Szene oder der technologische Fortschritt. Aus
diesem Blickwinkel erscheint die Eile, mit welcher der Bundesrat das 100-fach effizientere 5G-Internet anstrebt, in einem neuem Licht.
__________
[1] bitcoin.org Hauptseite
[2] bitcoincash.org alternative Hauptseite
[3] Link zur Original-Bitcoin Publikation
[4] NZZ-Artikel über Bitcoin 2018
[5] Bitcoin-Gebühren steigen aktuell rasant (Link)
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[1] bitcoin.org Hauptseite
[2] bitcoincash.org alternative Hauptseite
[3] Link zur Original-Bitcoin Publikation
[4] NZZ-Artikel über Bitcoin 2018
[5] Bitcoin-Gebühren steigen aktuell rasant (Link)
Sonntag, 29. Oktober 2017
Homo Deus
![]() |
Bild: © KEYSTONE/MARTIAL TREZZINI |
Diese Kolumne ist dem Kultbuch von Yuval Noah Harari gewidmet, einer
Geschichte der Menschheit auf 476 Seiten.[1] Es
liest sich spannend wie ein Kriminalroman. In grossen Bögen führt es zur
heutigen Verfassung der Menschheit und entwirft auf diesem Fundament wahrscheinliche
Szenarien, die unsere Enkel mit einer neuen Weltreligion konfrontieren werden,
die der Autor Dataismus nennt. Damit einhergehende
Umwälzungen verdienen Beachtung, weil sie unsere gesellschaftliche Verfassung
und den modernen Menschen als Krone der Schöpfung grundlegend in Frage stellen.
Dabei geht es aber nicht um die Aufwertung von Tieren, sondern um die
Machtübernahme durch Algorithmen. Hararis Buch ist aus der grossen Flughöhe des
Historikers geschrieben. Anderes wäre angesichts des gewaltigen Stoffs gar
nicht möglich. Dazwischen sorgen viele klug ausgewählte Beispiele für ein
unmittelbares Verständnis. Mehr noch: Das umfangreiche Buch (und sein Vorläufer "Eine kurze Geschichte der Menschheit") verdient einen
Literaturpreis, weil es in einer kunstvoll-treffenden Sprache geschrieben ist,
selbst in seiner deutschen Übersetzung. – Worum geht es?
I
Die Menschheit entwickelte sich über animistische
Kulturen der Jäger und Sammler zu monotheistischen Gesellschaften jüdischer,
christlicher, islamischer Prägung hin zum Humanismus
der letzten Jahrhunderte. Diese universelle Religion stellt bis heute den
Menschen als Mass und Sinnstifter in den Mittelpunkt. Der Mensch feiert sich
selbst als die Krone der Schöpfung. Es bestehen zwar durchaus grosse Unterschiede
zwischen Spielarten wie dem nationalsozialistischen, dem kommunistischen und
dem liberalen „Humanismus“. Geprägt vom aufbrechenden wissenschaftlichen Geist glaubt
die Mehrheit – auch der Liberalen – nicht mehr an übernatürliche Mächte. Doch
sind wir alle darin einig, dass der Mensch ein Bewusstsein hat, das ihn zum
Schmied seines Glücks macht. Das Credo von uns Heutigen ist: Ich glaube an
meinen sich selbst bewussten Geist. Zwar verfügen wir über Einsichten, wie das
ferne Universum entstanden sein könnte, aber wie dieses Nächste, diese mir so vertraut-reale
Innenansicht meiner selbst, entstanden sein könnte, darüber hat die
Wissenschaft keinen blassen Schimmer. Mehr noch: Was unsere Gesellschaft
zusammenhält und funktionstüchtig macht, ist die „intersubjektive Realität“.
Beispielsweise sind sich Muslime, Christen und Juden erstaunlich einig darin,
dass sich nur mit Geld wirtschaften lässt. Oder dass alle heute ein Smartphone haben
sollten, um sich in der Welt zu bewegen. Selbst die Landsgemeinden werden es
bald statt des Stimmzettels benützen. Wir glauben, dies auch den Kindern zumuten
zu müssen, obgleich das iPhone vor 10 Jahren noch völlig unbekannt war und
namhafte Experten dagegen halten.
II
Unsere Bundepräsidentin warnt im
Wirtschafts-Dachverband, wenn das 100x schnellere 5G-Internet nicht bald
funktioniere, werde die Schweiz digital abgehängt.[2]
Mit Hochdruck wird die Entwicklung vorangepeitscht. Die Tech-Konzerne
applaudieren. Elektrosensible haben das Nachsehen. Leuthard sprach ihren Appell
in ein Mikrofon, das am Rednerpult nur mit Klebband befestigt war, was geradezu
sinnbildlich anmutet für das unsolide Fortschrittsdenken, das hier gepredigt
wird. Wohin geht denn die Reise im Dataismus,
der jüngsten globalen Spielart unserer liberal-kapitalistischen
Glaubensgemeinschaft? Der Historiker Harari hat die Übersicht und konstatiert: "Wenn die Welt tatsächlich ein einziges
Datenverarbeitungssystem ist, was ist dann sein Output? Dataisten würden
behaupten, dass es die Schaffung eines neuen und noch effizienteren
Datenverarbeitungssystems ist, das man als Internet aller Dinge (IoT) bezeichnet.
Sobald diese Mission erfüllt ist, wird Homo sapiens verschwinden." -
Wie kommt der Historiker zu dieser verstörenden Einsicht? Tatsächlich ist #IoT
überall auf dem Vormarsch. Algorithmen durchdringen den Alltag, wohin man
schaut. Und es ist gängige biologische Lehre, dass Tiere, Emotionen und auch
die menschliche Intelligenz nur Algorithmen sind. Eichendorff schrieb: „Die Welt hebt an zu singen, triffst du nur
das Zauberwort.“ Heute ist das
Passwort der Zugang zum Informations-Schlaraffenland.
Und morgen? In der hypervernetzten Welt werden
superintelligente Algorithmen die Regie übernehmen. Sie kennen uns besser, als
wir selbst. Wir werden verschwinden, weil wir nicht mehr gebraucht werden.
Nicht, dass wir nicht mehr da wären, im Gegenteil. Wir werden in der
Datenkirche als Konsumenten gleichermassen gehätschelt und abgezockt, und die gutversicherten
und mit ihren Daten zahlenden Patienten werden zu quasi Unsterblichen gepflegt.[3] Aber wir werden immer weniger zu entscheiden haben; unsere Macht wird sich
unmerklich auflösen. Wir werden zu austauschbaren Chips im galaktischen
Computer degradiert. Derzeit findet eine Inventarisierung der Menschen statt.
Das kommende iPhone X vermisst unser Antlitz, bevor es uns den
lebensnotwendigen Zugang gewährt. Der Datenhunger der Konzerne kennt keine
Grenzen. Bald hält jedes Kind ein solches Denkzeug vor sein heiliges Gesicht.
III
Das 20. Jahrhundert ist gezeichnet durch mörderische
Religionskriege zwischen den kommunistischen,
faschistischen und liberalistischen Konfessionen. Zwar waren diese drei vereint
im „humanistischen“ Glauben, „dass Gott tot ist und dass allein menschliche
Erfahrung dem Universum einen Sinn gibt.“ Angesichts des blutigen Gemetzels
erscheint das ganze 20. Jahrhundert als ein grosser Fehler. Wie vor 1914
glauben Liberale heute wieder, die Geschichte stehe auf ihrer Seite. Krieg als
Vater aller Dinge hat neben Vernichtung indes auch grundstürzende Neuerungen
gebracht: Regelungstechnik und Computer (John von Neumann, Alan Turing, Karl
Zuse), 1950 prophetisch als Kybernetik (Norbert Wiener) konzipiert, Informatik
(Karl Steinbuch), PC und iPhone (Bill Gates, Steve Jobs) und Internet
verschmolzen zur universellen Digitalisierung via Cloud (Urs Hölzle) und KI
(Larry Page, Sergey Brin) und den sozialen Netzen (Mark Zuckerberg, Jack
Dorsey).[4]
Nun entsteht das Internet aller Dinge #IoT. Es, das allmächtige digitale System, braucht uns dann nicht mehr –
mich – das entscheidungsfähige Ich, das in der modernen biologischen Lesart
ohnehin nur eine Täuschung ist, weil Es alles besser weiss und besser kann.
Poststellen und Bahnhöfe werden durch Plattformen im Handy ersetzt. In der
eigenen Wohnung bewegst du dich sprachgesteuert, bedient und unterhalten vom
allwissenden Es. Harari bringt viele
Beispiele, wie sehr wir durch die Digitalisierungswelle ökonomisch abgehängt
werden, weil nichtbewusste Algorithmen die Jobs übernehmen. Der Bundesrat
fördert diese Entkopplung künstlicher Intelligenz vom menschlichen Bewusstsein.
Der Liberalismus ist nicht nur durch die Wissenschaft bedroht, die fand, dass
es keine freien Individuen gibt, sondern durch das digitale System, das auf
unseren freien Willen keine Rücksicht nimmt. Der Mensch denkt, und weiss es –
das System lenkt, weiss es aber nicht. Bis heute deutet nichts darauf hin, dass
Algorithmen je Bewusstsein erlangen werden. Wird dieser Unterschied uns vor dem
Verschwinden retten?
IV
25 Jahre sind es her, als sich John C. Eccles, Karl
Popper und Daniel Dennet leidenschaftlich darüber stritten, ob das immaterielle
Selbst die Algorithmen des Gehirns steuert.[5]
Der Neurobiologe Eccles postulierte dazu Psychonen – geistige Felder als Träger
unseres bewussten Selbst – die sich über die Dendronen der Hinrinde stülpen, um
diese quantenmechanisch anzuregen, ohne die Erhaltungsgesetze der Physik zu
verletzen. Die meisten von uns besässen doch einen natürlichen dualistischen
Glauben an eine Wechselwirkung zwischen Geist und Gehirn, hoffte Eccles. Eccles
forderte damit die Materialisten heraus. Und er fragte sie, ob sie sich dafür
hergäben, ihre Töchter mit Robotern zu verheiraten. Es nützte alles nichts. Der
Nobelpreisträger John C. Eccles war ein grosser Neurobiologe, aber er wird
heute kaum mehr zitiert. Ein Blick auf die Gassen zeigt: Wir sind schon heute
Cyborgs, denn alle, wirklich alle, starren in die kleinen Helferlein und können
sich keine freie Minute mehr ohne sie vorstellen. Smartphones sind die
Interfaces zum Datenhimmel, der im Silicon Valley immer umfassender und
raffinierter ausgestattet wird. Dies ist unsere gegenwärtige dualistische(!)
Verbindung zur Geist-Welt im Cyberspace. Eccles Psychonen haben endgültig
ausgedient und den Datenwolken Platz gemacht. Indessen arbeiten Apple und
Google an der nächsten Disruption, sie möchten das kleine Gerät aus unserer
Wahrnehmung ganz verschwinden lassen zu Gunsten einer völlig transparenten
Verbindung zum Cyberspace. Dieser wiederum wird immer mehr mit allem
Lebensnotwendigen bestückt, für Kommunikation, Belehrung, Bezahlung,
Unterhaltung, Anleitung, Erbauung, Entscheidung, und noch viel mehr, mit
undurchschaubarer Rechenleistung für den eigenen inneren Optimierungsbedarf.
Zum Beispiel wird vom System heute dringend verlangt, Fake-News augenblicklich
zu erkennen und zu entfernen. So wie das Hirn, spricht auch der Cyberspace
hauptsächlich zu sich selbst. Somit enthüllt sich immer deutlicher das Bild
einer dataistischen Gesellschaft, die
sich vollends durch Algorithmen leiten lässt. Der Preis sind die Daten eines
jeden von uns, die wir dem System zu liefern haben. Harari: „Zu Beginn des 3.
Jahrtausends ist der Liberalismus nicht nur durch die Vorstellung, wonach es
keine freien Individuen gibt, bedroht, sondern durch ganz konkrete
Technologien. Wir stehen vor einer wahren Flut äusserst nützlicher Apparate,
Instrumente und Strukturen, die auf den freien Willen individueller Menschen
keine Rücksicht nehmen. Können Demokratien, der freie Markt und die
Menschenrechte diese Flut überleben?“ Am Ende stehen wir vor der Wahl, uns in
den Daten zu verlieren wie Sandburgen am Strand in der Flut – oder unser
Selbst-Bewusstsein auf ein solides Podest zu stellen, den Biologen zu erklären,
warum das entscheidend ist, und den Tech-Konzernen ethische Grenzen zu setzen.[5] Unsere dringendste grosse Frage wird sein: Ist Leben wirklich nur
Datenverarbeitung? Da sind die Geisteswissenschaften gefordert. Der allwissende
Cyberspace mit all seiner biologisch-physikalischen Kompetenz ist dafür völlig
blind.
[1] Yuval
Noah Harari: Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen. C.H.Beck-Verlag, 2017, 476
S., ISBN 9783406704017.
[2] https://www.aargauerzeitung.ch/wirtschaft/leuthard-ohne-5g-verliert-wirtschaft-bei-digitalisierung-anschluss-131646349
[3] NZZ / Adrian Lobe: Herr, unsere täglich Technik gibt uns! Wir sind so säkular wie noch nie. Aber den Heilsversprechen der Computer-Gurus können wir uns nicht entziehen. Neue Zürcher Zeitung, 19. September 2017, p.37
[3] NZZ / Adrian Lobe: Herr, unsere täglich Technik gibt uns! Wir sind so säkular wie noch nie. Aber den Heilsversprechen der Computer-Gurus können wir uns nicht entziehen. Neue Zürcher Zeitung, 19. September 2017, p.37
[4] Alle Portraits dieser Neuerer sind in diesem Blog zu nachzulesen.
[5]
John C. Eccles: Wie das Selbst sein Gehirn steuert. Piper-Verlag, 1994, 281
S., ISBN 3-492-03669-4.
[5] Yuval Noah Harari: Reboot for the AI revolution. Nature, Vol. 550, 19-Oct-2017, p.324-327.
[5] Yuval Noah Harari: Reboot for the AI revolution. Nature, Vol. 550, 19-Oct-2017, p.324-327.
Montag, 19. Juni 2017
Ambros P. Speiser
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Prof. Dr. Dr.h.c. Ambros Paul Speiser (Bildarchiv der ETH-Bibliothek) |
„Wir stehen heute auf den Schultern von Riesen.“ Damit können wir zwar weiter sehen, laufen aber Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren. Diese Kolumne ist den Riesen gewidmet. Wir wollen wissen, wie sie unsere digitale Welt erschaffen konnten und welche naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sie dafür benützten. Kaum jemand vermag noch zu durchschauen, wie etwa ein iPhone funktioniert. Dieses beglückt uns mit Apps, die im Alltag – etwa im Verkehr – schon ganz unentbehrlich sind. Darüber tiefer nachzudenken, lohnt sich, zumal es in Zürich programmiert wird. Am besten befragt man die Riesen selbst. Einer von ihnen war Ambros P. Speiser, der ETH-Professor, der in den Fünfzigerjahren den ersten schweizerischen Computer baute. Seine Gedankenwelt begegnet uns in den Büchern „Digitale Rechenanlagen“ und „Impulsschaltungen“ (Springer 1961 und 1963), worin er den kommenden Computerbauern den Stand der Technik mit Röhren und Transistoren auseinandersetzte. Beide Bücher habe ich damals gierig aufgesogen. Ich durfte ihm an der Gloriastrasse im Physikinstitut auch begegnen. Er wirkte auf mich etwas abgehoben, wie ein Aristokrat. Kürzlich kam mir ein etwas anderer Speiser entgegen. Geerdet von seinen Aufgaben als Leiter der IBM-Rüschlikon und später der BBC/ABB-Forschung in Baden hat er spät noch ein Buch für das Volk geschrieben: „Regenbogen, Licht und Schall – Naturphänomenen auf der Spur“ (Piper Taschenbuch 2003). Kenntnis der Phänomene wird hier fesselnd vermittelt, vom Blitzschlag bis zu der schwierigen Schaltertechnik, von Goethes Farbenlehre bis zu den Flachbildschirmen, über Oberflächen von Regentropfen bis zum Rastertunnelmikroskop, was IBM-Rüschlikon die Sicht auf Atome und den Nobelpreis einbrachte. Alles ist in einfachsten Sätzen geschrieben – ein wunderbares Buch für Eltern, die den Fragen der Cyberkids nicht ausweichen wollen, und für technikferne Politiker, die technologische Entscheide zu fällen haben. Oder für all jene, die sich vor den Riesen fürchten, weil sie die Grundlagen und Werkzeuge, mit denen unsere Welt funktioniert, nicht kennen. Dieses antiquarisch bestellbare Buch verdient eine Neuauflage oder den Erwerb durch die Gemeindebibliothek.
_________
1) Ambros P. Speiser: Entwurf eines elektronischen Rechengeräts, Mitteilungen aus dem Institut für Angewandte Mathematik der ETH-Z, Hrsg. E. Stiefel, 1950 und 1954
2) Ambros P. Speiser: Regenbogen, Licht und Schall - Naturphänomenen auf der Spur. Piper Taschenbuch, 2003, 251 S., ISBN 3-492-23515-8
3) Rudolf W. Meier: Ambros P. Speiser, Nachruf in den Badener Neujahrsblättern, 79(2004).
http://www.e-periodica.ch/cntmng?var=true&pid=ban-001:2004:79::239
4) Siehe auch: http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/Biographies/Speiser.html und http://www.library.ethz.ch/de/Ressourcen/Digitale-Bibliothek/Kurzportraets/Ambros-Speiser-1922-2003
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Montag, 3. April 2017
Das Twitter-Quartett
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(Bildquelle: Wikimedia Commons) |
Wenn ein und derselbe bunte Vogel auf deinem Balkon zwitschert, mehrmals am Tag, magst du dich fragen, was er dir wohl mitteilen möchte. Vielleicht legst du ihm Brosamen auf das Geländer, oder Apfelschnitze. Bald sind mehrere Vögel da, und das Gezwitscher kann ganz schön Lärm machen. Es war ein Künstler namens Noah Glass, der “Twitter” (= engl. Gezwitscher) als Name vorschlug. Noah in San Francisco ist einer der vier Gründer der Micro-Blogger-Website Twitter, die es dir seit zehn Jahren ermöglicht, der Welt mit deinem Smartphone und sogar per SMS in maximal 140 Zeichen mitzuteilen, wo du gerade eine grüne Zahnbürste gekauft hast. Diese Möglichkeit, in die Welt zu zwitschern, was immer dir beliebt, interessiert offenbar viele Menschen.Twitter konnte einen rasanten Zuwachs verzeichnen, zwitschern via Twitter ist in. Es kamen so viele, dass der Draht riss und die Äste brachen, auf denen sie sassen. Die vier Gründer mussten laufend neue Server in Betrieb nehmen, um nach kurzer Zeit festzustellen, dass es immer noch nicht reichte. Sie konnten sich einfach nicht vorausschauend ausrüsten, jahrelang. Nicht weil das Geld für Datacenter fehlte, es floss in Strömen, von Investoren, die nur am Nutzerwachsum interessiert waren. Nein, Twitter brach oft zusammen, weil die chaotischen Hacker - anders als bei Google - nicht planten. Über ihren Programmierplätzen prangte das Logo “Let’s make tomorrow better mistakes.” Während sie ihre Webseite immer wieder hoch päppelten, stritten sie sich über den eigentlichen Sinn und Zweck ihres Zwitscherdienstes: Der Welt mitzuteilen, was du gerade tust, oder der Welt mitzuteilen, was gerade passiert? Inzwischen haben die 400 Millionen aktiven Nutzer diese Frage für sich entschieden. Während @realDonaldTrump täglich mehrmals mitteilt, was er gerade tut, liest man bei den @FDP_Liberalen, was aus Parteisicht gerade passiert. Trump twittert übrigens auch offiziell als @POTUS aus dem weissen Haus. Obamas Twitter-Account wurde auf @POTUS44 umbenannt, der 44. Präsident eben. Doch Trump benützt seine Privatadresse wie im Wahlkampf weiterhin, fast stündlich. Zwitschernd verschiebt er die politische Landkarte und erzeugt, Tweet um Tweet und im Krieg mit der Presse, immensen Impakt in der Welt.
Februar 2006: Schrill klingelte die Glocke um 18 Uhr. Alle Programmierer strömten zusammen, Bierdeckel knallten, klackerten zu Boden, das Hackathon bei Odeo ging zu Ende. Odeo, eine Podcasting-Webseite, erlaubte es, Audio und Video-Botschaften zu senden, aufzuzeichnen und zu teilen. Es war nicht klar, wie sich die Firma weiterentwickeln sollte. Zur Klärung wurde ein Hack-Day angesagt. Da konnte jeder Mitarbeiter frei programmieren, um dann seine Ideen zu präsentieren. Welches die beste sei, entschied der Chef, Evan Williams, der viel investierte und riskierte. Die Wahl fiel auf Twitter. Sie vereinbarten, dass Jack Dorsey und Biz Stone innert nur 2 Wochen einen Prototypen entwickeln sollten. Evan kam zu Geld, als Google sein Startup “Blogger” kaufte, aus welchem später “blogspot.com” wurde. (Sie lesen gerade auf Blogspot!) Der introvertierte, konfliktscheue Farmersohn wurde mit seinem Vermögen zum Hauptinvestor bei Twitter. Er brach das Studium ab und brachte sich selbst das Programmieren bei. Die Zusammenarbeit des Quartetts war kreativ, aber schwierig. Zankapfel war das ungeheure Potential des Internets. Bald wurde der überspannte Noah für die anderen unerträglich, weil er sein Temperament nicht zügeln konnte. Obgleich er Twitter aus der Taufe hob, schmissen sie ihn hinaus. Das Startup Twitter war ein chaotisches Hacker-Kollektiv. Die Einnahmen waren Null - jahrelang! Ehrgeizig verfolgte jeder verbissen seine eigene Ideen, um die Welt mit 140 Zeichen zu verändern. Dennoch, mit ihrer Microblog-Webseite trafen sie offensichtlich einen Nerv, denn bald hagelte es Anmeldungen. Aber für eine angemessene Infrastruktur und die Fragen der neu eingestellten Programmiere fühlte sich bei Twitter niemand verantwortlich. Trotz Negativschlagzeilen wuchs Twitter rasant und mauserte sich zum ultimativen Blitz-Nachrichtendienst, für Medienkonzerne und Aktivisten ebenso, wie für Musiker nach dem Motto “Alles, was gerade los ist.” Twitter fühlt der Welt, wo immer man hinschaut, augenblicklich den Puls. Deshalb interessieren sich auch Regierungen: Ihre Nachrichtendienste sehen durch Twitter am besten, was in Konfliktherden gerade passiert. Twitter, von Aussen eine Art Webseite, wurde im Juni 2010 noch immer von Kaugummi und Malerkrepp zusammengehalten.
Ausgerechnet als der russische Präsident Medwedew im Juni 2010 in San Francisco die Twitter-Zentrale betrat, brach der Dienst zusammen. Der Besuch wurde wochenlang vorbereitet. Man versuchte den Präsidenten abzulenken, hinzuhalten - bis es den Technikern gelang, Twitter wieder in Betrieb zu nehmen. Als Medwedew seinen ersten Tweet absetzte, ist Twitter haarscharf am Rufmord vorbeigeschrammt. Medwedews Tweet wurde augenblicklich rund um den Globus gelesen und von Obama und anderen Würdenträger beantwortet. Inzwischen twittern sie alle, Putin wöchentlich mehrfach, Merkel lässt von einem Regierungssprecher twittern - und wird dafür auf Twitter parodiert, Hollande hat bald 5000 Tweets abgesetzt, Elon Musk die Hälfte, Erdogan liess Twitter sperren, twittert aber seine Massenauftritte derzeit täglich live über Twitter-Periscope. Auch unser Bundesrat lässt über eine Fanseite twittern. Beziehungsweise: Er kann es nicht verhindern, dass Fans und Parodisten in seinem Namen twittern. Facebook hat 99% authentische Seiten. Twitter dagegen kontrolliert kaum, wer unter falschem Namen twittert. Fake News! Dies widerspiegelt die chaotische Hackermentalität seiner vier Gründer. Jeder war mit seinem Ego so sehr beschäftigt, dass sie sich abwechselnd aus der Firmenleitung schmissen, und die Techniker und die Medien oft nicht wussten, wer das Sagen hatte. Twitter entwickelte sich dank diesem Seilziehen aber besonders effektiv. Der Treibstoff war die grandiose Zuwachszahl. Anders als bei Google, wo für ausreichende Serverkapazität und minimale Ausfallzeiten umsichtig planend gesorgt wurde, brach der Kurznachrichtendienst notorisch zusammen. Und es gehen die Tweets, die fast alle öffentlich sind, schätzungsweise zur Hälfte an digitale Gespenster. Fake-Accounts indessen sorgen für Fake-News, was bei Twitter ein unübersehbares Problem ist. Dass sich Twitter dennoch als grösstes Nachrichtenportal entpuppte und die seriösen Medienagenturen zunehmend in Interpreten verwandelt, mag erstaunen. Heute behauptet sich Jack Dorsey (Bild) an der Spitze des bald 100 Milliarden Dollar Unternehmens. Der unbotmässige Möchtegern-Modedesigner und Geck hat die drei anderen Gründer aus der Firma verdrängt. Herausgeworfen - und zurückgeholt, darüber haben wir doch schon bei Steve Jobs berichtet? Wegen auffallender Ähnlichkeit seiner Karriere mit Steve Jobs jagt er seinem grossen Vorbild nach und imitierte es in jeder Hinsicht. Deswegen kann er heute auch unter dem Begriff “Steve Jobs 2.0” gegoogelt werden. Und in der Tat: seit seiner Rückkehr zu Twitter und dem Rausschmiss aller Gründer aus dem Twitter-Führungsteam, das heute auch aus zwei Frauen besteht, macht @Jack seinen Job als CEO bei Twitter gut. Und wie Jobs ist er überdies im Vorstand von The Walt Disney Company.
Dienstag, 13. Dezember 2016
Mark Zuckerberg
Mark Zuckerberg (Bild: Wikimedia Commons) |
Vor 3 Jahre schrieb ich an dieser Stelle über das Web 2.0 und das angebrochene Jahrzehnt der sozialen Beziehungsnetze. Facebook stagnierte damals in der Schweiz bei rund 3 Millionen aktiver Nutzer. Doch heute sind es 3.76 Millionen, wobei vor allem die älteren Jahrgänge stark zulegten. Der Gründer und Ceo Mark Zuckerberg meldete kürzlich auf seiner Facebook-Chronik 1.7 Milliarden (!) Facebook-Nutzer. Dies kann man zur Weltbevölkerung von 8 Milliarden und einer Internet-Penetration von 46% in Beziehung setzen: Etwa jeder/jede Zweite im Internet benützt nunmehr Facebook. Während der Zuwachs in der Schweiz abflacht, legt die Welt noch rassig zu. Facebook kann unbeschränkt Mittel einsetzen, um die ganze Welt mit Facebook beziehungsweise mit Internet zu versorgen, und nichts weniger ist Zuckerbergs wichtigstes Ziel. Zwar verlor Facebook kürzlich einen Satelliten, der über Afrika eingesetzt werden sollte, weil die SpaceX-Trägerrakete Falcon 9 bei der Sauerstoff-Betankung vor dem Start explodierte. Wie gut, dass Mark, der zu diesem Zeitpunkt in Afrika weilte, über den Bau seines Facebook-Solarflugzeugs “Aquila” berichten konnte, das tagelang über einer Stelle schweben soll, nicht allzu hoch, damit die dortigen Handys problemlos mit Internet versorgt werden. Dies ist der Anfang einer Hardware-Initiative: Facebook als erfolgreiche Softwarefirma will auch eine Fabrik werden. Ob letzteres dem Harvard-Abbrecher mit nur knapp 2 Jahren Informatik und Psychologie ebenso gelingt, wie die Menschen möglichst attraktiv zu vernetzen, bleibt abzuwarten.
Mit Facebook entstanden viele soziale Webdienste. Einige sind bis heute geblieben, LinkedIn etwa, für Karrierebewusste, oder Orkut in Brasilien und Indien, und natürlich Google+ mit seinen verwirrenden Nebenfunktionen, das aber zu spät in Erscheinung trat und nun den Rückstand in den Benutzerzahlen kaum noch wettmachen kann. Sicher ist, dass Mark Zuckerberg mit seinen minimalistischen, fokussierten Prinzipien das mit Abstand bedeutendste soziale Netz geschaffen hat. Dabei ging es ihm nie um den Ersatz von Beziehungen in Fleisch und Blut, sondern um die Unterstützung und Bereicherung derselben. Facebook und nicht etwa Instagram ist heute das bedeutendste Fotoportal. Kalendarisch werden mir alte Erinnerungen gezeigt, und ich bin überrascht, meistens wirklich anrührende Bilder wieder zu sehen, Ereignisse, die ich gern mit bestimmten Freunden oder der Familie wieder teile. Wie trifft Facebook eine so kluge Auswahl? – Auch hier ist künstliche Intelligenz im Anmarsch, die ich bis heute als sympathisch und zuvorkommend empfinde.
12 Jahre gibt es Facebook nun, und Mark hat sich immer als genialer Mitbegründer, Vorsitzender und CEO erwiesen. Auch in kritischen Phasen traf “Zuck” immer die erfolgreichste Entscheidung. Z.B. als Yahoo mit einem Kaufangebot von über einer Milliarde den damals 22-Jährigen weich machen wollte. Der Baby-Milliardär hatte die Führungsriege gegen sich, als er den Geldsegen mit dem Argument ablehnte, am Geld liege ihm nichts, am Wachstum seiner sozialen Weltverbesserungs-Idee indessen alles. Der Visionär sah den Durchbruch kommen, und diesen wollte er selber gestalten. Er erwies sich als ein ganz grosser Unternehmer, der aus dem Nichts mit einem einzigen Programm seine beispiellos profitable Firma zügig ausbaute. Dabei blieb der milchgesichtige, kleinwüchsige aber mit einer sonoren Stimme ausgestattete Unternehmer stets menschlich-freundlich, nicht arrogant wie Steve Jobs, nicht chronisch überfordert und tyrannisch wie Elon Musk, nicht derart unsozial wie Jeff Bezos, nein Mark ist ein sonniger Mensch, der sich als guter Ehegatte und Familienvater liebevoll, achtsam und skandalfrei zu leben versteht. Als ein von Idealen Getriebener arbeitet er laut seinem Facebook-Profil in der Chan Zuckerberg Initiative, die mit dem Hauptteil seines Vermögens wohltätige Zwecke verfolgt. Priscilla Chan, so der Name seiner Frau, studierte Kinderärztin, scheint dafür die ideale Managerin zu sein. 2011 wurde er Vegetarier aus Dankbarkeit über sein Glück. Vorher ass er gern jeden Tag Fleisch, plötzlich entschloss er sich, aus Respekt und Achtsamkeit keine Tiere mehr zu essen. Mit einem Umsatz von 20 Milliarden und einem Gewinn von 4 Milliarden pro Jahr steht sein Facebook äusserst solid da. Mark Zuckerberg erwarb mit seinen 31 Jahren 44,6 Milliarden Dollar Vermögen und belegt Rang 6 der Reichsten dieser Welt auf, dank seinem einzigartigen, klug gesteuerten Geschäftsmodells, dank der Hebelwirkung des Internets und – dank Ihren persönlichen Daten (!), die Sie Facebook bereitwillig Tag für Tag anvertrauen. 42 Minuten Lebenszeit verbringt jeder Nutzer täglich bei Facebook – fast 5 Stunden pro Woche, nur Google schafft noch mehr. Facebook bringt es fertig, echte Persönlichkeitsprofile überprüfbar zu vernetzen und es stellt ein immer perfekteres Instrumentarium zur Verfügung, um die Privatheit zu skalieren und auf sich überlappende Freundeskreise abzustimmen. Und was tun die meisten im Facebook? Sie schauen sich die Profile und Bilder der anderen an, die oft nur deren Freunden zugänglich sind, ergo sendet man einen Freundschaftsantrag, der nicht selten bestätigt wird. Ein Wachstumsfaktor ohnegleichen!
Facebook legt grossen Wert auf gute Bilder. In der bezahlten Werbung werde Bilder, die mit Text angereichert sind, zurück gewiesen. Facebook schuf in seiner Fabrik kürzlich die Rundum-Brille Oculus. Sie wird angetrieben von sphärischen Videoaufnahmen und von Raumkoordinaten. Man orientiert sich in diesem Vollraum einfach, indem man - wie im realen Leben - in die interessante Richtung blickt. Das funktioniert sogar auf dem Handy, das ja mit Bewegungs- und Richtungssensoren ausgestattet ist. Man wird garantiert bald Menschen sehen, die mit dieser “Taucherbrille” herumlaufen, die sich in alle Richtungen wenden und drehen, weil sie virtuelle Attraktionen sehen, die dir verborgen sind. Besonders komisch wird es dann, wenn man zu zweit damit schwerelos Ping Pong spielt. Moment mal, was kann man denn damit noch anfangen, wenn die Kameras dazu auch in meiner Brille eingebaut sind? Sie können dann um ihre Freunde herumlaufen oder ihre Spinnenangst loswerden oder virtuelle Knetmasse modellieren und danach im 3D-Drucker ausgeben. Teleportation wird alltäglich.
Mit einem Umsatz von 20 Milliarden und einem Gewinn von 6 Milliarden pro Jahr steht heute sein Facebook äusserst solide da. Der 31-Jährige erwarb damit 44,6 Milliarden Dollar Vermögen und belegt Rang 6 der Reichsten dieser Welt, dank seiner einzigartigen, von Sheryl Sandberg gesteuerten Werbeplattform, dank der Hebelwirkung des Internets, und - auch dank deinen persönlichen Daten, die du Facebook bereitwillig Tag für Tag anvertraust(!) Facebook bringt es fertig, echte Persönlichkeitsprofile überprüfbar zu vernetzen, und es stellt ein immer perfekteres Instrumentarium zur Verfügung, um die Privatheit zu skalieren und auf abgestufte Freundeskreise zu trimmen. Zucks Social Graph ist mit Abstand der grösste überhaupt.
Kürzlich ermittelt die deutsche Justiz gegen Mark Zuckerberg und seine Führungsriege. Der Kläger wirft ihm vor, Mordaufrufe, Gewaltandrohungen, Holocaustleugnung und andere Delikte zu dulden und sich damit der Beihilfe zur Volksverhetzung schuldig zu machen. Der Kläger führte zahlreiche Beispiele von Facebook-Posts entsprechenden Inhalts an, die Facebook eben nicht umgehend entfernte. Umgekehrt beklagen Aktivistinnen die Entfernung von Bildern der entblössten weiblichen Brust aus Gruppen, die sich für das Stillen stark machten. Im Zusammenhang mit der US-Wahl wurde ihm vorgeworfen, durch gefälschte Nachrichten das Wahlresultat beeinflusst zu haben. Sind Facebooks Algorithmen auf einem Auge blind? Lassen wir den Gutmensch Zuckerberg dazu selber zu Wort kommen: Auf www.facebook.com/zuck äusserte er sich dazu am 12. November mit einem ungewöhnlich ausführlichen Text (hier übersetzt, gekürzt und interpretiert): “Unser Ziel ist es, jeder Person eine Stimme zu geben. Wir glauben zutiefst an die Menschen. Wir möchten die Welt offener und vernetzter machen. Wir glauben, dass Menschen verstehen, was in ihrem Leben wichtig ist. Und dass Sie dies ausdrücken können, ist gut für die Gemeinschaft und die Demokratie. Allerdings sagen sie manchmal Dinge oder unterstützen Leute, die anderen missfallen. Wir wissen, dass 99% aller Nachrichten auf Facebook authentisch sind. Eigentliche politische Falschmeldungen sind noch seltener und können deshalb das Wahlresultat nicht verfälscht haben. Wir haben im Gegenteil Millionen ermöglicht, sich überhaupt eine Meinung zu bilden. Sie wären ohne Facebook gar nicht zur Urne gegangen. Dennoch bin ich mir der Verantwortung sehr bewusst, und wir arbeiten an neuen Algorithmen, den Newsfeed von Falschmeldungen, Betrug und illegalen Inhalten frei zu halten. Die Ermittlung der “Wahrheit” ist allerdings kompliziert und wir müssen sehr vorsichtig zu Werke gehen. Es ist nicht immer so, dass Tatsachen, die von vielen gelikt werden, richtig sind. Manchmal ist einen Mainstream-Idee zwar richtig, aber es werden wichtige Details verfälscht oder weggelassen. Wir müssen uns immer hinterfragen, ob wir selber in der Wahrheit sind, damit wir keine unbeabsichtigte Nebenwirkungen oder Verzerrungen in das System bringen. Es ist wichtig, die Menschen, die auf der anderen Seite stehen, zu verstehen. Nach meiner Erfahrung sind die meisten Menschen gut. Auch wenn es manchmal nicht so aussieht, wird dieser Standpunkt langfristig zu den besten Verhältnissen führen.” - Betrieb Gutenberg, als er die Bücher verbreitet, Volksverhetzung, nur weil einige Autoren zum Bösen verführen?
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Quelle u.a.: David Kirkpatrick: Der Facebook-Effekt. Hinter den Kulissen des Internet-Giganten. Übersetzt von Karsten Petersen, Verlag Hanser, 2011, 402 Seiten, ISBN 9783446425224
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