Sonntag, 26. August 2018

Künstliche Intelligenz I




In diesen heissen Tagen frage ich mich allen Ernstes, ob es den subjektiven Geist und die Qualia wirklich gibt. Vielleicht sollte ich diese Frage für mich behalten, um im schöngeistigen Kilchberg den Sommerdämmer nicht zu stören. Doch hat mich ausgerechnet die reanimierte SF-Sternstunde eines Sonntagmorgens damit geweckt: Sprach doch ein weltberühmter Philosoph des Geistes und Direktor für Kognitionswissenschaft auf die Frage, ob es bewusste Roboter gäbe, „klar, ich bin einer, wie Sie auch“. Und nach Darwin: „Wir sind Roboter, die Roboter entstammen, die Roboter entstammen…“. Danach der Einwand des Moderators: Zwar könne man bald mit Apples Siri sprechen wie jetzt mit seinem menschlichen Gegenüber: Daniel C. Dennett. Doch diese Siri habe doch kein Bewusstsein, kein Erleben, keine Freiheit! Darauf Dennett: „Noch nicht. – Und wenn wir Siri tatsächlich mit einem Bewusstsein ausstatten wollten, müsste deren Software um 100 Grössenordnungen komplexer sein.“ Demnach ist ein mit dem Menschen vergleichbarer bewusster Computer kein Ding der Unmöglichkeit, sondern eine quantitative Frage der Grössenordnungen. Wann wird das so weit sein? Es gibt im Computerbau das Moorsche Gesetz, welches besagt, dass sich die Rechenleistung alle 18 Monate verdoppelt. Da unter Informatikern eine Grössenordnung eine Verdoppelung bedeutet, wären 100 Grössenordnungen in 1800 Monaten oder 150 Jahren erreicht. Nun sind dem Mooreschen Gesetz auch Grenzen gesetzt, da die Transistoren nicht auf beliebig kleinem Raum platziert werden können. Mehr und mehr stören Quanteneffekte den Rechenablauf. Derweil werden heute die Quantencomputer erforscht, die nicht mehr mit Transistoren rechnen, sondern tiefgekühlt mit so genannten Quantenverschränkungen, womit in einem Rechenschritt viele Operationen parallel ablaufen können. Das würde die Rechenzeiten um viele Grössenordnungen verkürzen. Steht damit eine wirklich coole Siri nächstens vor der Tür? – Wenn es so weit ist, werden unsere Enkelkinder erkennen, ob sie Geist und Seele hat. 

___________
[1] Sternstunde im SF1 mit Daniel Dennett - Geist, Gott und andere Illusionen (Sternstunde Philosophie vom 18.2.2018, Moderator Yves Bossart) (Link)
[2] Daniel C. Dennet: From Bacteria to Bach and Back - The Evolution of Minds. W.W.Norton & Co., New York, 2017, 480 pp.
[2] Manuela Lenzen: Künstliche Intelligenz - Was sie kann & was uns erwartet. (Bei Audible)

1 Kommentar:

Bruno Fricker hat gesagt…

...eine wirklich coole Siri nächstens vor der Tür? - In der Tat: Inzwischen sind sie da, die superklugen LLM's (Large Language Models) und ihre Chat-Bots. Und nun stellt sich erst Recht die Frage, was Bewusstein, was Geist letztendlich ist. Dazu der Nobelpreis: Anton Zeilinger erhielt ihn für seine Arbeiten zur Quantenverschränkung. Es gibt die "spukhafte Fernwirkung" (Einstein) tatsächlich, und sie ist ganz praktisch nutzbar, so wie die KI auch in jedem Kinderzimmer inzwischen auftaucht. Was ist dann der Mensch? Kommt eine neue Physik? - Wir Leben in einer ungeheuer interessanten Zeit. Habt keine Angst. Lasst euch von folgendem Video bestärken: → https://www.youtube.com/watch?v=S0BNqS5h_9Y