Freitag, 26. November 2010

Kartenportal


Über Google Maps habe ich voriges Jahr berichtet. Seither benützen wir Maps ganz selbstverständlich bei fast allen topografischen Suchvorgängen. Ich habe alle Handwerker so gefunden, die mir bei der Renovation von Mamis Haus zu Hilfe kamen. Maps ist mit Branchen- und Adressinfos intelligent, aktuell und gratis verknüpft. Wer sich als Handwerker noch teuer in ein Verzeichnis einkauft, hat keinen Nutzen davon, weil man dazu heute selbstverständlich Google braucht.

Im schönen, langen Herbst war etwas Wandern angesagt. Auch hier hat Google Maps viel zu bieten, aber es befriedigt noch nicht ganz. Wenn es darum ging, durch schwieriges Gelände gangbare Routen zu finden, mussten wir auf unsere Landeskarten zurückgreifen. Sie sind unerreicht! Im Massstab 1:25000 sind selbst Trampelpfade verzeichnet und mit etwas Übung kann man herauslesen, ob sie gangbar sind und zum Ziele führen. Leider sind solche Karten am Bildschirm (oder im Handy) nicht ohne weiteres sichtbar, Urheberrechte und komplizierte Suchverfahren, die nur nach Schulung benutzbar sind, versperren den Zugang. Doch nun zeichnet sich auf der geografischen Suche im www.kartenportal.ch eine Trendwende ab. Die Karten wurden mit Steuergeldern geschaffen, es ist an der Zeit, sie dem Volk übers Internet verfügbar zu machen.

Im Kartenportal sieht man zunächst die Schweiz auf Google Maps, das alle kennen und bedienen können. Damit wählt man den Kartenausschnitt. Dazu ein Rechteck aufziehen z.B. über der Wanderregion zwischen Niederurnen, Glarus und Walenstadt. Rechts werden die dazu relevanten Karten gelistet, zuoberst die Wanderkarte Flumserberg - Walensee 1:25000 1976 der Schweiz. Landestopografie. Der durch diese Karte erfasste Bereich wird rot hinterlegt. Wer eine neuere Karte sucht, schiebt die linke Zeitmarke von 1950 auf 2000. Die oberste Karte ist nun eine Karte des Schweiz. Skiverbands, Walenstadt, Mürtschenstock - Wildhaus - Bad Ragaz. Eine optimale Karte, welche die Region genau abbildet, findet man in der Liste weiter unten als Blatt Spitzmeilen in 1:25'000 der Schweiz. Landestopografie, Jahrgang 2010. Man braucht nur mit der Maus darüber zu schweben und schon sieht man den Ausschnitt dieser Karte in Google Maps. Wer detailreichere Karten sucht, begrenzt den Massstab nun auf 1:1 bis 1:25'000. Hier wird auf eine ältere Spitzmeilen-Karte 1:25'000 verwiesen aus dem Jahr 2004 der Landestopografie. Interessanterweise bestreicht sie einen andern Ausschnitt, in welchem der Talalpsee mit Mürtschenstock nicht vorkommt. Hat man die Platzierung der Ausschnitte verändert, um den Wanderlustigen das Gebiet nicht abzuschneiden? Weiter unten in der Liste kommen exotischere Gross-Karten, die das Rechteck nur berühren oder als Ortspläne kleinste Ausschnitte darstellen.

Das Kartenportal verbindet den unermesslichen Kartenbestand mittels swissbib - dem Schweizer Bibliothekskatalog - mit den Bibliotheken, wo die Karte gelagert ist, sei es als Blatt oder als DVD. Man kann die Karte dort ausleihen oder sich im Lesesaal Kopien anfertigen lassen. Das ist für Google-Verwöhnte eher frustrierend. Das Finden einer passenden Karte funktioniert heute perfekt, der Zugang zum Kartenbild selbst aber ist nach wie vor durch eine viel zu grosse Bürokratie verstellt. Was nützt ein solcher Bibliotheks-Apparat, wenn er faktisch nur von Fachstudierenden benützt werden kann? Immerhin öffnete die Universität Zürich ihre neuen Forschungsarbeiten im Rahmen des Open Access Zora der surfenden Öffentlichkeit im Volltext. Und im Rahmen des Projekts retro.seals.ch werden zunehmend wissenschaftliche Zeitschriften retrodigitalisiert. Dass die Kartenpublikationen, zumal die älteren Ausgaben, auch bald on-line verfügbar werden, bleibt zu hoffen.

Es bleiben dem Wanderfreund und Skitourenfahrer die Routenbeschreibungen, die man durch einfaches Googeln findet. Mit „Wanderung Schilt“ beispielweise gelangt man direkt zu variablen Kartenausschnitten von Swisstopo, dem Portal der Landestopografie, wo die Route dazu verzeichnet ist. Hier scheint die Papierkarte mit der digitalen Pixelwelt zu verschmelzen. Davon Kopien zu machen und in den Rucksack zu legen ist wohl kaum verboten, selbst wenn die Swiss Map Mobile iPhone und iPad Edition noch sehr teuer ist.

Montag, 1. November 2010

Cyberfriedhöfe


Über Nacht ist Mami sanft entschlafen. Mit gut neunzig Jahren hat sie uns still verlassen. Die geerdete, gesunde Frau sprach wenig über ihren bevorstehenden Tod. Sie verbrachte ihr Leben in ländlicher Gegend; Leben und Tod waren ihr im natürlichen Verlauf vertraut.

Nun sind wir ins letzte Glied vorgerückt, oder ist es das erste? Gewiss ist, das Ende naht. Daran zu denken, ist schwer. Kein Wunder, haben sich die Menschen zugeredet, dass dies nicht das Ende sei. Einige scheinen aus überirdischen Quellen zu wissen, wie es im Jenseits weitergeht. Andere, wie jener Organist, der an Tausend Abdankungen gespielt und die Tröstungen alle mithören musste, lassen sich – wenn es für sie so weit ist – doch lieber überraschen. Niemand konnte von den Toten Auferstandene befragen. Dennoch kamen mit dem Internet – Mami war siebzig, als es mit dem WWW los ging, sie kannte es nur vom Hörensagen – einige neue Bewältigungsstrategien hinzu. Zum ersten sind da die kontroversen theologischen Ansichten, die es in Griffnähe bringt, etwa der Wikipedia-Artikel zur „Ganztodtheorie“, wie sie auch von Karl Barth vertreten wurde. Wie viel haben Menschen doch über den Tod spekuliert, er ist wahrlich ein unerschöpfliches Thema! Das bestätigt die Linksammlung „Der Tod im Internet“ auf Postmortal.de, die bereits über 4 Millionen mal besucht wurde.

Unabhängig von allen staatlichen Grenzen sind im Internet völlig neue Varianten von Gedächtnispflege und Trauerkultur entstanden: die virtuellen Friedhöfe. Sie heissen World Wide Cemetery, Garden of Remembrance, Cybercemetery, oder Virtual Memorial Garden, für 99 Dollar werden 99 Jahre unvergängliches Gedenken geboten. Maus und Modem haben hier den Steinmetz ersetzt. Bekanntlich vergisst das Internet nichts. Wer hier Spuren hinterlässt, wird sie immer finden. Der Grund dafür sind die zahlreichen Web-Server (der Gedächtnisraum im Internet wird inzwischen auf 10 hoch 10 Gigabytes geschätzt) und Einrichtungen wie Archive.org, die eigens dafür geschaffen wurden, alte Ausgaben von Webseiten, auch gelöschte Webseiten, zu archivieren. Wer sich eine persönliche Webseite zulegt, gestaltet unbewusst auch sein virtuelles Grabmal. Soziale Netze sind beliebt, Facebook, Xing und wie sie alle heissen, sie werden zunehmend von den Suchmaschinen erfasst und gepuffert. Facebook versetzt Tote Mitglieder in den „Memorial State“. Neue Portale für digitale Ewigkeit wie Stayalive.com, wo man Kerzen für Verstorbene anzünden kann, sie sind eigentlich überflüssig.

Für Mami übrigens blühen Blumen auf einem gediegenen Grab, wie sie es sich gewünscht hat, im Friedhof neben der Kirche.