Samstag, 28. März 2009

Schwarzes Loch

Eigentlich wollte ich meine Recherchen über die Finanzkrise fortsetzen, bin aber angewidert im Morast stecken geblieben. Was ist das für eine Welt, die uns die Quants in wenigen Jahren beschert haben! So hat etwa die junge Mathematikerin Blythe Masters [1] bei JP Morgan Chase in New York, zeitgleich mit dem Aufkommen des Internet, die Credit Default Swaps (CDS) erfunden, ein Kreditderivat, womit in der Ära Bush die globale Finanzindustrie in ihrer abgehobenen Blödigkeit und Gier ausserbörslich und unkontrolliert 62 Billionen Dollar Streubomben lancieren konnte, deren Sprengsätze längst überall platziert sind.[2] Angesichts deren Sprengkraft sind die 1.8 Billionen Ramsch-Hypotheken Knallfrösche. Eine Kettenreaktion wird viele Banken in einem schwarzen Finanzloch verschwinden lassen, denn die Realwirtschaft hat mit weltweit nur 54 Billionen Dollar BIP der zerstörerischen Gewalt der Derivate wenig entgegenzusetzen.[3] So laufen schon überall die Notenpressen an und werden für tragische Kaufkraftverluste sorgen. Ob Obama das Steuer noch herumreissen kann, muss bezweifelt werden...[4]

Also wende man sich dem Schönen zu, so lange noch Zeit ist. Wie das schwarze Loch jegliches Licht verschluckt, so bringt der Frühling Licht und neues Leben hervor, diesmal nach einem grossen Winter. Vielleicht wollten Sie schon lange das Fotografieren lernen? Schon ab 500 Franken gibt es eine digitale Spiegelreflexkamera (DSLR), das Werkzeug der Fotografen. DSLR haben einen grossen Bildsensor (25x16mm, 8-12 Mbytes) und lichtstarke Weitwinkel- oder Zoom-Wechselobjektive. Das Bild wird über den Sucher via Objektiv parallaxfrei anvisiert. Blende, Verschlusszeit und Empfindlichkeit sind wählbar. Neben vorverarbeiteten JPEG machen DSLR auch beste Rohbilder für anspruchsvolle Fotoprojekte. Solche Bilder können im Photoshop manipuliert und nachbearbeitet werden. Mit der DSLR kann bei jedem Licht toll fotografiert und korrigiert werden. Warum buchen Sie nicht einen Kurs für beides bei mir? Thema: Aufnahme und Verarbeitung digitaler Bilder. Das ist ein wunderbares Hobby, zusammen mit Ihrem PC. Siehe http://www.spectralab.ch/.
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[1] Bei Google > Bilder den Namen eingeben.
[2] http://spiegel.wissen.de, dort im Suchfenster CDS eingeben. Das Volumen aller ausserbörslich gehandelten Finanzderivate dürfte weltweit gegen 1000 Billionen (!) Dollar angewachsen sein. Dass die Politik die Kontrolle über diese unvorstellbaren Machenschaften zurück erlangen will und muss, ist eine ultimative Notwendigkeit – oder aber vielleicht schon zu spät. Die für Stabilität zuständige Bank für internationalen Zahlungsaugleich www.bis.org in Basel ist sehr besorgt über diese Entwicklung.
[3] Eine Billion ist im deutschen Sprachraum 10 hoch 12, im US-Englischen versteht man damit nur 10 hoch 9. Ich schreibe deutsch, also meine ich 1 Billion = 1 Million x 1 Million = 1 000 000 Millionen.

[4] http://info.kopp-verlag.de dort die Beiträge Ende März 2009 ansehen, zum Beipiel diejenigen von F. William Engdahl, etwa Suprime war nur »Vorspeise«.

Meine Bücher-Quellen:

Wolfgang Hafner: Im Schatten der Derivate. ISBN 3-8218-1692-9; 219 S. Der Autor ist Finanzexperte und hat mehrere Jahre in einem vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Forschungsprojekt Geldwäsche mit Derivaten untersucht. Das Buch ist leicht lesbar und äusserst aufschlussreich. Eine Pflichtlektüre für jeden Politiker.

Susanne Giger: Hans Vontobel. Bankier - Patron - Zeitzeuge. ISBN 978-3-905894-01-1, 205 S. Die Wirtschaftredaktorin zeichnet vom 90-jährigen Patron ein sympathisches Bild eines klassischen Banquiers mit sozialem Gewissen, welcher der Schweiz zur Ehre gereicht. Gewisse Stellen im Buch lassen aber durchblicken, dass Hans Vontobel der Zahlengläubigkeit der jetzigen Vontobel-Privatbankleitung misstraut. In der Tat betätigt sich die heutige Vontobel-Gruppe im Investment Banking und Asset Management weltweit. Damit ist sie, zusammen mit UBS, CS und ZKB, in der Schweiz führend bei Derivaten. Der Leiter des Investment Banking bei Vontobel (http://www.derinet.ch/), Roger Studer, ist folgerichtig der Präsident des schweizerischen Derivateverbands.

Myret Zaki: UBS am Rande des Abgrunds: Wie das Imperium der Drei Schlüssel seine Wette verlor. ISBN 3-85612-175-7; 286 S. Eine äusserst scharfsinnige, detailreiche und visionäre Analyse des Debakels bis Ende 2008, die auch für Nichtbanker spannend zu lesen ist. Grenzen und Gefahren der globalen Finanzwirtschaft werden am Beispiel UBS aufgezeigt. Fazit des Buches ist, dass die UBS wegen ihres Engagements im Fernen Osten nicht untergehen wird.

Sonntag, 1. März 2009

Hebelwirkung


Im letzten Blog habe ich über Google Books berichtet. Nun will ich es anwenden durch Lesen in einem, wie es scheint, wichtigen Buch, das ich weder im Buchhandel noch in einer Bibliothek finde. Marcel V. Lähn: Hedge Fonds, Banken und Finanzkrisen[1], beschrieb 2004, wie es zur globalen Finanzkrise kam. Diese Aufklärung tut bitter Not, denn die kursierenden Meinungen über die Ursachen und die Massnahmen zur Verhinderung einer derartigen Megakrise verwirren mich als Staatsbürger sehr. Natürlich gibt es Störfaktoren wie US-Immobilienboom, US-Kriegsausgaben und -Verschuldung, die Boni der Banker, automatisierter und globalisierter Börsenhandel, falsche Ratings, deregulierter Offshorehandel, Betrüger wie Madoff, Steuerbetrug, Geldwäscherei u.a.m., die zusammengenommen eine schwere Krise des Finanzsystems auslösen können. Doch wird ein kritischer Beobachter das Gefühl nicht los, dass hinter diesen Teilaspekten unheilvolle finanzwirtschaftliche Spielregeln diese Megakrise heraufbeschworen haben. Diese findet man vor allem unter den Dächern der Hedge Fonds.

Als Physiker weiss ich, dass ein Verstärker, der plötzlich zu pfeifen beginnt, gedämpft werden muss, damit er wieder benutzbar wird. Dämpfungen findet man in der Technik zuhauf, sie sind ihr A und O. Etwa die kleinen Hanteln an den Hochspannungsfreileitungen, diese nehmen Schwingungsenergie auf, sonst würden die Leitungen im nächstbesten Sturm herunterbrechen. Autofahren wäre gefährlich, wenn die Stossdämpfer fehlten. Neuroleptika dämpfen die Botenstoffe im Gehirn und verhindern akute Psychosen. In der Natur begegnet man negativen Rückkopplungen und Pufferungen auf Schritt und Tritt. Nur in der Finanzwelt will man, wie es scheint, von Dämpfung nichts wissen – im Gegenteil! Man bedient sich Anlageformen, die statt Sicherheit und moderaten Gewinn ungebremsten Vermögenszuwachs versprechen, ohne Rücksicht auf jene, denen das abgezockte Geld dann fehlt. Oder noch dreister: Man schafft Kapital durch trickreiche Verbriefungen, die nur mit neuem «Mündelgeld» bedient werden können. Das Wort «Mündelgeld» ist übrigens nicht zu weit hergeholt. Denn man hat doch über Jahre erfolgreich den unbedarften Bürger als Geldgeber gewonnen und man hat es auch mit seinem gesetzlich verwalteten Pensionsgeld getan. Tatsächlich sieht sich dieser in der Rolle des Mündels wieder, denn er oder sie weiss nicht, was mit dem sauer verdienten geliehenen Geld eigentlich passiert. Es bleibt dem Mündel nur das Vertrauen, dass die schon wissen, was sie tun, dass es nicht Kriminelle sind, die das Geld bekommen, was ja auch zutrifft, denn die Fondsmanager operieren im Hintergrund haarscharf an den Grenzen der Gesetze, die auf den steuerfreien Kaimaninseln[2] etwa weit laxer sind als in der Schweiz.

Auf www.ubs.com fand man noch vor wenigen Monaten die Tricks der Geldmacher zuoberst auf der polierten Website. Heute sind sie etwas versteckt, aber man googelt sie mit [Stichwort site:www.ubs.com] leicht heraus. Mögliche Stichworte sind Hedge Fonds, Zertifikate, Derivate, Leerverkäufe, Futures, Leverage u.a.m. Die UBS empfiehlt in einer im März 2008 verfassten Broschüre diese Nicht-traditionellen Anlagen für mehr Stabilität in Ihrem Portfolio. Im Buch von Lähn findet man Klartext zu diesen von der Finanzwelt bis heute so hoch gelobten weltwirtschaftlichen Sackgassen, zu der zentralen Quelle systemischer Instabilitäten des globalen Finanzsystems.[3] Es kann mir nicht darum gehen, die anscheinend so komplizierte Materie angemessen zu durchleuchten. Dazu müsste ich noch am Bankeninstitut der Uni-Zürich studieren.[4] Aber ich versuche es an einem für meinen Kopf vereinfachten Beispiel.

Hedge-Fonds stehen nicht unter dem gesetzlichen Zwang, dass ihrem Fremdkapital 10% oder mehr Eigenkapital gegenüberstehen muss. Oft wird da mit einem Hundertstel davon spekuliert, was die verwaltete Kapitalmasse verhundertfacht. Verbindlichkeiten können also nur mit neu zufliessendem Fremdgeld bezahlt werden. Das führt erstens zu langfristigen Anlagehorizonten, die Gelder werden jahrelang festgehalten, was sie den kurzfristigen Börsenschwankungen entzieht. Zweitens werden damit für Laienverständnis abenteuerliche Geschäfte abgewickelt, zum Beispiel so genannte Leerverkäufe. Es wird heute bezahlt für Aktien oder andere Finanzprodukte, von denen der Hedge-Fund-Manager vermutet, dass sie überbewertet sind. Er bietet also einen billigeren Preis, nimmt das Geld entgegen, muss aber das Finanzprodukt erst am Tag der Wahrheit liefern. Er spekuliert darauf, dass das Produkt für ihn dann noch billiger zu kaufen sein wird. Auf diese Weise bekommt er Fremdgeld, für das er im Moment überhaupt nichts bezahlen muss. Wenn es erwartungsgemäss läuft, hat er am Tag der Wahrheit ein gutes Geschäft gemacht. Wenn aber das Finanzprodukt nach Ablauf der Frist von ihm nicht gekauft werden kann, weil es nur teurer oder überhaupt nicht mehr erhältlich ist, bekommt der Hedge-Fund-Manager ein Problem. Er hat eine Zeit lang Geld für «Nichts» bekommen und er kann nach dieser Frist über die geschuldete Gegenleistung nicht verfügen, die Einlage kann also nicht bedient werden, die Spekulation ging nicht auf. So sind Hedge-Fonds einesteils gewaltige Finanzblasen, es wird Geld mit nichts als Verträgen angezogen und unter Ausnützung von Hebeleffekten risikobereit erneut investiert, andrerseits können diese Riesenblasen jederzeit zusammenbrechen, und die Gläubiger – letztlich unwissende Mündel – haben das Nachsehen.

Gegen die Grundidee, der Industrie und dem Gewerbe für produktive Zwecke Kapital gegen Aktien zur Verfügung zu stellen, in Erwartung einer Dividende, ist gewiss nichts einzuwenden. Einen Produktionsbetrieb kann man beurteilen und das Risiko ist überschaubar. Das Problem liegt in den oben erwähnten Spekulationsobjekten, den Hebel-, Partizipations-, Renditeoptimierungs-Produkten und dem damit verbundenen vielfach erhöhten Emittentenrisiko. Diese Derivate sind kombinierte und mehrfach indirekt verpackte Finanzprodukte, deren Risikopotential auch von spezialisierten Ratingagenturen kaum mehr eingeschätzt werden kann. Die Gewinn/Verlust-Kennlinien sind vielfach nichtlinear, ihr Impakt auf den Markt wird dadurch besonders heimtückisch. Der deutsche Derivateverband[5] betreibt auf seiner Website ein Lexikon für weit über Tausend Fachbegriffe (!) für die Beschreibung strukturierter Produkte und deren Handel. Ich werde den Verdacht nicht los, dass die Begriffsinflation eher dem Bluff als der Klärung dient. Dabei flackert durch alles hindurch nur ein einziger treibender Begriff: Gier.

Die Schweiz ist mit einem Anlagevolumen von über CHF 260 Milliarden (Stand November 2008) der weltweit grösste Markt (!) für strukturierte Produkte, schreibt der schweizerische Verband[6]. Der Anteil dieser hochriskanten, undurchschaubaren Anlagen nimmt rasch zu. Das ganze in der Schweiz verwaltete Vermögen beträgt etwa CHF 4 Billionen. Man beachte, dass das Schweizer BIP mit etwa 500 Milliarden vergleichsweise bescheiden dasteht. Verwerfungen im Vermögensgeschäft werden sich auf das Volkseinkommen und auf die reale Volkswirtschaft insgesamt stark auswirken. Warum wollen wir es zulassen, den Lohn unserer redlichen Arbeit derart stark von Spekulanten aushebeln zu lassen?

Wenn ich ein Auto lease, dieses aber verkaufe und mit dem Erlös 5 Autos lease, diese wiederum verkaufe und den Schuldendienst sowie einen luxuriösen Lebenswandel mit immer weiteren Verkäufen von Leasingautos finanziere, stehe ich in kurzer Zeit vor Gericht und werde als Krimineller verurteilt. Ganz ähnlich läuft es aber in einem immer grösseren Teil der Bankenwelt, nur dass hier niemand verurteilt wird bis jetzt. Man fand Mittel und Wege durch Auslagerung in rechtsfreie Räume, um die wunderbaren Bereicherungsmöglichkeiten zu legalisieren. Und da dies trotzdem nicht endlos weitergeht, sondern auf sozusagen natürliche Weise crasht, versucht man nun mit dem Volksvermögen die Finanzakrobaten zu schützen – statt dass man die Bürger und die redlichen Banker vor den Verursachern schützt. Wie denn? – Ganz einfach: indem man nicht-traditionelle gefährliche Anlagen verbietet, die Steuerbetrüger ausliefert und die Offshore-Handelsplätze schliesst. Nichts weniger als dies muss man vom bevorstehenden G20-Gipfel erwarten, sonst wird es bald noch mehr krachen in der vernetzten Welt.
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[1] Dissertation. Gabler Edition Wissenschaft XII, 386 S. Kartoniert 2004 Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden, ISBN 3-8244-8117-0
[2] Why domicile your fund in the Cayman Islands? Over 10,000 regulated investment funds are domiciled in the Cayman Islands. This constitutes the vast majority of the global hedge fund market. Empfohlen durch
www.ubs.com/cayman-funds.
[3] S. 168
[4] Eigenartig ist, dass so hoch komplexe strukturierte Produkte im Kaufleuten in einem Music-Star-ähnlichen Wettbewerb verglichen werden. Unter dem Sponsoring von Maserati werden die Preise (Kurs im Rennfahren) vergeben. Und man empfiehl die daraus hervorgehende Beurteilung anschliessend den Anlegern zur Orientierung und den Emittenten als Qualitätsmerkmal. (
www.swiss-derivative-awards.ch)
[5]
www.derivateverband.de
[6] Schweizerischer Verband für Strukturierte Produkte
www.svsp-verband.ch